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Wirtschaft: Philips macht der Chipindustrie Mut

Elektronikkonzern schafft die Wende bei Halbleitern – doch die Wachstumsdynamik lässt schon nach

Berlin/Amsterdam - Europas größter Elektronikkonzern Philips hat am Dienstag überraschend gute Quartalszahlen vorgelegt. Trotz eines Gewinnsprungs und einer Trendwende im Chipgeschäft konnte Philips die düsteren Aussichten der Branche für das kommende Jahr nicht aufhellen. Auch vom größten Chiphersteller der Welt, Intel, der am Abend nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe seine Quartalsergebnisse vorlegen wollte, erhofft sich der Markt keine nachhaltige Trendwende. Intel hatte im Juni seine Umsatzprognose für 2004 heraufgesetzt.

Die Chipbranche steckt in einem Dilemma: Die Industrie wird 2004 zwar voraussichtlich einen Umsatzrekord erzielen – von 2005 an aber in einen neuen Abschwung zurückfallen. Nach Angaben des Branchenverbandes ZVEI vom Dienstag ist der Halbleiterabsatz in Deutschland im Juni um 13 Prozent gestiegen. Für das erste Halbjahr meldet der Verband ein Plus von acht Prozent. Vor allem die große Nachfrage der Computer-, Telefon- und Autohersteller nach Microchips beschert der Branche einen Auftragsboom. Insgesamt habe sich die Erholung aber verlangsamt, teilte der ZVEI mit. „Die Umsätze schließen näher zu den Auftragseingängen auf.“ An der Börse stehen Chipaktien wegen der nachlassenden Wachstumsdynamik unter Druck.

Philips-Chef Gerard Kleisterlee konzentrierte sich am Dienstag deshalb auf das laufende Geschäft und die kommenden Monate: „Auf Basis unserer Innovationen, gut gefüllter Auftragsbücher und geringerer Kosten sind wir zuversichtlich, dass wir in der zweiten Jahreshälfte ein anhaltendes Wachstum bei Umsatz und Gewinn in allen Bereiche sehen werden“, sagte Kleisterlee. Der Umsatz stieg um elf Prozent auf 7,28 Milliarden Euro.

In der Halbleitersparte, üblicherweise ein Unsicherheitsfaktor bei Philips, gelang dem Konzern im zweiten Quartal die Rückkehr in die Gewinnzone: Nach einem Verlust von 139 Millionen Euro im Vorjahresquartal verbuchte Philips zuletzt einen operativen Gewinn von 143 Millionen Euro. Dieser Umschwung und ein deutliches Umsatz- und Gewinnplus bei der Unterhaltungselektronik bescherten Philips einen Nettogewinn von insgesamt 616 Millionen Euro – nach 42 Millionen Euro im Vorjahr. Die Aktie gewann in Amsterdam 1,7 Prozent auf 21,33 Euro.

Analysten zeigten sich trotzdem nicht begeistert. So rieten die Frankfurter Experten von Independent Research Anlegern, Philips-Aktien zu verkaufen. Das Kursziel liege nur noch bei 19,40 Euro. Die Analysten begründeten ihre Einschätzung damit, dass die Halbleiterkonjunktur sich schneller als erwartet abkühlen werde. Die Philips-Aktie habe deshalb keine „Entwicklungsfantasie“ mehr.

Ähnlich hatte am Montag die US-Investmentbank Merrill Lynch für den gesamten Halbleitersektor argumentiert: Angesichts der zu erwartenden guten Unternehmensnachrichten für das zweite Quartal, „würden wir nun in jede daraus resultierende Stärke der Aktienkurse hinein verkaufen“, so die Analysten. Der Grund: Der Gesamtsektor werde 2005 nicht mehr wie erwartet um 16 Prozent, sondern nur um sechs Prozent wachsen. Der US-Chipverband SIA rechnet für 2005 ebenfalls mit einer massiven Abschwächung der Halbleiterumsätze. 2006 sei sogar ein Minus von einem Prozent zu erwarten. 2004 dürfte die Chipindustrie dann in guter Erinnerung haben: Laut SIA steigen die Umsätze um mehr als 28 Prozent auf 214 Milliarden Dollar. Trifft diese Prognose zu, würde selbst der Umsatzrekord des New-Economy-Jahres 2000 (204 Milliarden Dollar) übertroffen.

RISIKEN

Trotz sinkender Kurse gelten Halbleiter-Aktien wieder als teuer. Der Grund: Die nachlassende Wachstumsdynamik ab 2005. Bei Intel und Philips raten Analysten zur Vorsicht.

CHANCEN

Goldman Sachs und Société Générale trauen dem deutschen Konzern Infineon, der am 20. Juli Zahlen vorlegt, eine positive Überraschung zu.

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