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Photovoltaik: Solarpläne auf Eis

Pech für viele Hausbesitzer: Erst vermiest ihnen der Winter die Installation einer Solaranlage, und ab April sinkt der Bonus für Ökostrom. Viele Solarfans kommen zu spät.

Rund 200 Anrufer erhält die Elektrotechnikfirma Schwarzer aus Münster zurzeit am Tag. André Hannemann, Elektrotechnikmeister und Fachmann für Solaranlagen, kann sich vor Anfragen kaum noch retten. Ab April soll der Ökostrombonus sinken, hat das Bundesumweltministerium vergangene Woche angekündigt – das heizt die Nachfrage an. "Die Leute drehen durch, jeder will noch schnell die höhere Vergütung mitnehmen", sagt Hannemann. Denn wer vor dem Stichtag eine Solaranlage in Betrieb nimmt, sichert sich die hohen Fördersätze auf 20 Jahre. Wer danach kommt, muss sich über den gleichen Zeitraum hinweg mit weniger Geld begnügen.

Doch die Chancen, dass die Willigen sich noch in den nächsten Wochen azurblaue Zellen aufs Dach packen können, sinken mit jedem Tag. Seit vier Wochen hat die Eiseskälte Deutschland fest im Griff, Besserung ist nicht in Sicht. Kein Installateur wagt sich auf die vereisten Dächer. Die Zeit läuft gegen Hunderttausende Solarfans: Firmen müssen Kostenvoranschläge machen, die Bank den Kredit bewilligen, der Netzbetreiber die Anmeldung entgegennehmen. Das alles dauert. "Wer jetzt anfängt zu planen, ist viel zu spät dran", heißt es in der Branche. Am Dienstag sprach sich die Unionsfraktion für einen späteren Beginn der Kürzung aus.

Nicht nur bei den Installateuren, auch bei den Herstellern von Solaranlagen hat der angekündigte Rotstift für einen Nachfrageboom gesorgt. Die Solarfabrik in Freiburg, ein Pionier unter den Modulherstellern, verhandelt zurzeit mit dem Betriebsrat sogar über Sonntagsarbeit. "Die Produktion des ersten Quartals ist fast komplett verkauft", sagt eine Sprecherin. In Freiburg fürchtet man einen Absatzeinbruch im Frühjahr. "Klar ist, dass uns der enorme Umsatz im ersten Quartal natürlich im zweiten fehlen wird."

Trotz des Ansturms rechnen Branchenexperten allerdings kaum mit Lieferengpässen. Module gebe es genug auf dem Markt, wenn nicht von deutschen Herstellern, dann von chinesischen, sagen sie. Der Engpass wird wohl eher bei Wechselrichtern entstehen. Sie wandeln den von Solaranlagen produzierten Gleichstrom in Wechselstrom um, damit er in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden kann. Der weltgrößte Hersteller, SMA aus der Nähe von Kassel, hat zurzeit Lieferzeiten von mehreren Wochen. Er verdoppelt wegen der zunehmenden Nachfrage aktuell seine Produktionskapazitäten auf etwa zehn Gigawatt.

Damit Käufer ihre Solarzellen auch ohne Wechselrichter noch vor April in Betrieb nehmen können, greifen manche Handwerksunternehmen sogar zu einem Trick: Sie installieren nur einmal schnell einen Wechselrichter. Der Kunde speist Energie ins Stromnetz ein, die hohe Vergütung ist gesichert, der Wechselrichter wird wieder abgebaut. Dann wartet der Solaranlagenbesitzer auf sein bestelltes Exemplar.

Das Branchenmagazin Photon ruft derweil zu Besonnenheit auf. Interessenten sollten auf keinen Fall um jeden Preis noch vor April zuschlagen. Den Preisverfall  bei den Solarmodulen – der Grund für die Kürzungen – habe es vor allem vergangenes Jahr gegeben. "Das größte Risiko ist jetzt, sich eine überteuerte Anlage zu kaufen", sagt Photon-Experte Bernd Schüßler. Und selbst wenn die Solarförderung um 15 bis 20 Prozent gekürzt würde: Die Rendite für Investoren sei mit fünf bis neun Prozent zwar niedriger als zuvor, aber immer noch beachtlich.

Zudem gibt es noch einen weiteren Anreiz, auch langfristige Pläne für eine Solaranlage nicht aufzugeben: Die Bundesregierung will ausdrücklich den Eigenverbrauch von Solarstrom fördern. Wer seinen Solarstrom im eigenen Haushalt nutzt und nicht ins Stromnetz einspeist, bekommt dafür nämlich seit vergangenem Jahr einen Zuschuss von rund 23 Cent je Kilowattstunde. Zudem spart er etwa 21 bis 23 Cent je Kilowattstunde, weil er keinen konventionellen Strom einkaufen muss.

Die Eigenverbrauchs-Förderung will Bundesumweltminister Norbert Röttgen ausdrücklich von den Kürzungsplänen ausnehmen. Bislang wurde sie wegen rechtlichen Unklarheiten, die zu finanziellen Unwägbarkeiten führten, kaum genutzt. Dies wurde nun behoben. Informationen von Photon zufolge rechnet es sich bereits ab diesem Jahr, den Strom nicht ins öffentliche Stromnetz zu verkaufen, sondern lieber die eigene Waschmaschine damit laufen zu lassen.

Zumal der Strompreis von Jahr zu Jahr steigt – und sich die Ersparnis damit erhöht. Das Interesse am Eigenverbrauch nehme langsam zu, bestätigen Branchenexperten. "Genau dahin wollen wir", sagt ein Sprecher des Bundesverbands Solarwirtschaft, "Solarstrom sollte so lokal wie möglich verbraucht werden." 

Allerdings gibt es auch erste Kritiker: Warum wird die Direktversorgung überhaupt gefördert, entlastet dies tatsächlich das Stromnetz? Und ist die Regelung insgesamt juristisch wasserdicht? Denn die Netzbetreiber müssen den Solaranlagenbesitzern die Eigenverbrauchs-Vergütung bezahlen – und bekommen dafür nichts. Schließlich bleibt der Solarstrom ja im Haus.

Das schmerzt die Netzbetreiber zwar nicht, schließlich legen sie die Kosten auf alle Stromkunden um. "Die im EEG 2009 eingeführte Regelung zur Förderung des Eigenverbrauchs sehe ich aus Rechtsgründen kritisch", verkündet allerdings bereits SPD-Solarexperte Hermann Scheer. Selbst von möglichen Verfassungsklagen seitens der Netzbetreiber ist in der Solarbranche bereits die Rede. 

Quelle: ZEIT ONLINE

Marlies Uken

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