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Wirtschaft: Piëch gibt sich ahnungslos

Ihm sei von den Lustreisen und Sonderzahlungen nichts zu Ohren gekommen, sagt der VW-Patriarch als Zeuge vor Gericht aus

Braunschweig - Er lächelt, wenn man ihn beim Vornamen nennt. Ferdinand Piëch, Aufsichtsratschef von VW und Zeuge im Untreueprozess vor dem Braunschweiger Landgericht, kämpft sich am Mittwochmorgen mit seinem Anwalt Matthias Prinz durch ein Gedränge von Passanten, Fotografen und Kamerateams. „Guten Morgen, Ferdinand!“, ruft ihm ein älterer Herr zu. „Willkommen in Braunschweig.“ Piëch grinst. Später im großen Saal des Landgerichts ist man wieder per Sie. Trotzdem zeigt sich Piëch während der Verhandlung stellenweise sichtlich amüsiert. Die Hoffnung der Zuschauer, der mächtige VW-Patriarch könne an diesem Morgen einmal aus der Rolle fallen, wird enttäuscht.

Piëch ist gekommen, um seine Unschuld zu bezeugen. Jede Mitwisserschaft in der VW-Affäre um Sonderboni, Lustreisen und Sexpartys bestreitet er. Er habe während seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender von 1993 bis 2002 „keine Kenntnis davon gehabt“, dass millionenschwere Sonderzahlungen an den früheren Betriebsratschef Klaus Volkert geflossen seien. Volkert sitzt mit dem Ex-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer auf der Anklagebank. Piëch beantwortet die Fragen von Richterin Gerstin Dreyer, von Staatsanwaltschaft und Verteidigung in stoischer Ruhe. Hin und wieder blitzt er seinen Anwalt an. Der hat an diesem Morgen wenig zu tun und belässt es bei einigen Bemerkungen.

Allenfalls allgemein habe er damals mit dem inzwischen verurteilten Ex-Personalvorstand Peter Hartz darüber gesprochen, Volkert „wie einen leitenden Angestellten“ zu behandeln, erklärt Piëch. Seine Unterschrift neben der von Hartz genügte. Details zur Bezahlung Volkerts habe er delegiert, sagt Piëch. Schon während seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft hatte er erklärt, dass er auch in anderen „unangenehmen Fällen“ seinen „Kopf aus der Schlinge gezogen habe“, indem er anderen die Kleinarbeit überließ. „Ich gebe nicht gern Geld – das ist mir unangenehm“, sagt der Milliardär und Miteigentümer von Porsche. Das ominöse Konto „1860“, über das „Vertrauensspesen“, Reisen und Bordellbesuche abgerechnet wurden, kenne er nicht, es sei eines von 6000 bis 7000 Konten bei VW gewesen.

Die Staatsanwaltschaft hält eine andere Darstellung für plausibel. Demnach hat der frühere VW-Finanzvorstand Bruno Adelt seinen damaligen Chef Piëch auf das Konto angesprochen. Daraufhin sei der frühere Büroleiter Piëchs, der heutige Audi-Chef Rupert Stadler, mit der Überprüfung beauftragt worden. Laut Staatsanwaltschaft ist es „lebensnah“, dass sich Piëch über das Ergebnis der Prüfung informierte. Der 70-jährige Piëch bestreitet dies. Weder bei Adelt noch bei Stadler habe er nachgefragt. „Ich hatte keinen Anlass, weil sich niemand beschwert hat.“

Gerüchte, Volkert vergnüge sich auf VW-Kosten mit seiner brasilianischen Freundin, seien ihm „nicht zu Ohren gekommen“. Hätte er von den Umständen der Betriebsratsbetreuung erfahren, dann wäre das von ihm „vehement bekämpft und abgestellt“ worden. Piëch spricht von „Regelungslücken“ im ansonsten straff organisierten VW-System. In eine solche Lücke fällt wohl auch der Brief eines ehemaligen Mitarbeiters, der – an den Vorstand adressiert – im Jahr 2003 auf Lustreisen des Betriebsrates hinweist. Er habe seinen Büroleiter recherchieren lassen, sagt Piëch. Ein solches Schreiben sei nicht in seinem damaligen „Posteingangsbuch“ eingetragen.

In einer Erklärung zum Auftakt seiner Vernehmung hebt Piëch, der seinen Beruf mit „Konstrukteur“ angibt, die Rolle von Hartz bei der Sanierung des Unternehmens durch Einführung der Vier- Tage-Woche Anfang der 90er Jahre hervor: „Herr Hartz hat sich mit dieser Leistung das Vertrauen der gesamten Belegschaft erworben.“ Einzige Alternative für den schwer angeschlagenen Autokonzern sei damals die Entlassung von 30000 Mitarbeitern gewesen. „Am Ende meiner Amtszeit hatten wir 50 000 Mitarbeiter mehr – nicht 30 000 weniger.“ Dass dabei Betriebsratschef Volkert mitgeholfen hat, würdigt auch Piëch. Persönlich getroffen habe er ihn allerdings nur ein oder zwei Mal im Jahr.

Am Dienstag wird der Prozess mit der Zeugenaussage des früheren Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder und Audi-Chef Rupert Stadler fortgesetzt.

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