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Wirtschaft: Pischetsrieder bleibt VW-Chef bis 2012

Aufsichtsrat beschließt einstimmig Vertragsverlängerung für den Vorstandsvorsitzenden / Turbulente Hauptversammlung erwartet

Berlin - Bernd Pischetsrieder bleibt an der Spitze von VW. Der Aufsichtsrat der Volkswagen AG hat in seiner Sitzung am Dienstag in Hamburg „einstimmig beschlossen“, den Vertrag des Vorstandsvorsitzenden „bis zum 16. April 2012“ zu verlängern, wie das Unternehmen am Abend mitteilte. Die Sitzung begann gut drei Stunden später als geplant, da sich die getrennten Vorgespräche von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern hinzogen. Bis zuletzt war nicht sicher gewesen, ob der VW-Chef die notwendige Mehrheit von Zweidritteln der Stimmen bekommt. Auch nachdem diese Frage nun geklärt ist, wird an diesem Mittwoch in Hamburg eine turbulente Hauptversammlung erwartet.

Das Durcheinander an der VW-Spitze hatte am Dienstag einen neuen Höhepunkt erreicht. Auf der Seite der Arbeitnehmervertreter gab es vor der Sitzung noch erhebliche Vorbehalte gegen Pischetsrieder. „Bevor wir nicht ungefähr wissen, wie genau die Restrukturierung aussieht, können wir nicht verlängern“, hieß es in IG-Metall-Kreisen. Pischetsrieder hatte bereits am 10. Februar ein Restrukturierungsprogramm angekündigt, von dem 20 000 der 100 000 Arbeitsplätze in den westdeutschen Werken „betroffen sein könnten“. Was „betroffen“ bedeutet, ist unklar.

Wegen der Unsicherheit über die Umsetzung der Restrukturierung wollten die Arbeitnehmervertreter ursprünglich die Verlängerung von Pischetsrieders Vertrag verschieben. In einer Erklärung nach der Sitzung begründete der Konzernbetriebsrat sein Votum für Pischetsrieder nun damit, dass der Vorstand „ein nochmaliges, ausdrückliches und schriftlich sanktioniertes Bekenntnis“ zur Standort- und Beschäftigungssicherung abgelegt habe. In einer Vereinbarung sei festgelegt worden, dass dies gleichrangig mit Wirtschaftlichkeitszielen in der Konzernstrategie verankert werde.

In Unternehmenskreisen hatte es noch am Nachmittag geheißen, ein nicht verlängerter Vertrag wäre „ein Affront gegen Pischetsrieder“. Das Thema müsse vom Tisch, andernfalls könnten sich die Beteiligten am Mittwoch „nicht vor die Hauptversammlung wagen“. Die Hauptbeteiligten sind Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und die beiden Vertreter der Großaktionäre, Porsche-Chef Wendeling Wiedeking und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff; auf der Seite der Arbeitnehmervertreter IG-Metall-Chef Jürgen Peters und der VW-Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh.

Wulff und Wiedeking hatten sich bereits vor Wochen auf Pischetsrieder festgelegt, doch Piëch hatte mit einer Bemerkung die Diskussion um den Posten des Chefs von weltweit 340 000 Mitarbeitern angeheizt: Er kenne niemanden, der sich gegen den Willen der Arbeitnehmer auf Dauer an der Spitze eines deutschen Unternehmens halten könne. Damit hatte er die Unruhe und Unsicherheit in Wolfsburg gefördert. Auch deshalb muss der Aufsichtsratschef, der rund zehn Jahre den Vorstand führte und selbst Pischetsrieder als seinen Nachfolger ausgesucht hatte, auf der Aktionärsversammlung am heutigen Mittwoch mit Attacken gegen seine Person rechnen.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete am Dienstag, der Aufsichtsrat wolle einen „Sonderausschuss“ einrichten, der vor allem die Doppelrolle Piëchs als Aufsichtsrat von VW und gleichzeitig Miteigentümer von Porsche kontrollieren soll. Wegen dieser Doppelfunktion hatte Wulff vergangenes Jahr vergeblich versucht, Piëch vom Stuhl des Aufsichtsratschefs zu kippen. Seitdem ist das Verhältnis zwischen beiden gestört. In Unternehmenskreisen hieß es, dass vermutlich Wulff der Zeitung die Informationen über den Sonderausschuss zugesteckt habe, um Piëch mit Hilfe der Medien zu schwächen.

Der Marktexperte Ferdinand Dudenhöffer veröffentlichte am Dienstag ein Papier, wonach die VW-Sanierung „wenig Fortschritte macht“. Hauptprobleme seien unverändert Überkapazitäten und hohe Kosten. So erwirtschafteten die sechs westdeutschen Werke auch wegen der Arbeitskosten von 54 Euro pro Stunde Verlust. Weltweit habe kein Autobauer höhere Arbeitskosten. „Der Übergang zur 35-Stunden- Woche ohne Lohnausgleich ist daher notwendig.“ Und da der Konzern ferner Überkapazitäten von 1,5 Millionen Fahrzeugen habe, liege der Personalüberhang in der Summe „eher bei 30 000 als bei 20 000 Beschäftigten“, schlussfolgert Dudenhöffer.

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