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Die Playstation ist zurück: Allerdings nur etwa halb so groß wie das Original.

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Playstation Classic & Co.: Der erstaunliche Boom der Retro-Konsolen

Gamen wie in den 80ern: Nachbauten klassischer Spielekonsolen boomen. Warum sind die neuen alten Konsolen so erfolgreich?

Nun zieht also auch Sony nach. An diesem Montag bringt der Konzern die Playstation Classic auf den Markt – auf den Tag genau 24 Jahre nach dem Start der ersten Playstation-Konsole. Die Playstation Classic ist nur etwa halb so groß wie das Original und erscheint mit 20 vorinstallierten Titeln, darunter Kultspiele wie Final Fantasy VII, Tekken 3 und Ridge Racer Type 4. Im Unterschied zum Original lässt sich die rund 100 Euro teure Konsole auch mit HDMI-Kabel an aktuelle Flachbildfernseher anschließen. Wenn es nach Sony geht, sollen Eltern und Kinder künftig also Retro-Games zocken. Und das obwohl der Markt von leistungsstarken Konsolen wie der Playstation 4, der Xbox One und der Nintendo Switch dominiert wird.

Nintendo hat den Retro-Trend gestartet

Die Playstation Classic ist die vorerst letzte Neuerscheinung in einem stetig wachsenden Markt für Retro-Konsolen. Bereits vor einigen Jahren begannen Hardware-Hersteller, die klassischen Spielesysteme der Achtziger und Neunziger Jahre nachzubauen. Am erfolgreichsten war dabei Nintendo: So verkaufte sich die NES Classic Edition im ersten Halbjahr nach ihrem Start 2016 bereits mehr als 2,3 Millionen Mal, und auch die 2017 gestartete SNES Classic Edition erfreut sich großer Beliebtheit: Beide zusammen kommen mittlerweile auf über 10 Millionen Verkaufsexemplare. 2018 erschien die Retro-Fassung des Heim-Computers C64, der ab 1982 in zahllosen Kinderzimmern stand. Der C64 Mini hat den klassischen „Brotkasten-Look“ des Originals sowie 64 vorinstallierte Games. Die Tastatur ist zwar nur Attrappe, doch bietet die Retro-Konsole neue, praktische Funktionen wie das Zwischenspeichern des Spielstands.

Ein Blick ins kommende Jahr zeigt: Die nun erschienene Playstation Classic ist nur der Auftakt für weitere Retro-Konsolen. Sega plant eine Neuauflage der 16-Bit-Maschine Sega Mega Drive, und auch der Amiga Mini – eine Hommage an den Commodore Amiga von 1985 – ist nur eine Frage der Zeit. Die Retro-Konsolen bieten meist nur eine eingeschränkte, nicht erweiterbare Auswahl an Spielen. Außerdem gibt es immer wieder Kritik an der technischen Umsetzung, etwa bei der Bildschirmdarstellung oder der Ausstattung mit Controller-Schnittstellen. Warum also sind SNES Classic und Co. so erfolgreich?

Warum sind Retro-Konsolen so erfolgreich?

„Retro-Konsolen funktionieren deshalb so gut, weil sie einen Abriss der Konsolen-Historie bieten“, sagt Mascha Tobe, Kuratorin im Berliner Computerspielemuseum. „Mit einer Auswahl von 30 oder 40 Spielen kann man die erfolgreichsten und popkulturell wichtigsten Titel nachholen. Man muss sich eben nicht für sehr viel Geld die ganzen alten Spiele kaufen. Anstatt sie selbst auswählen zu müssen, erhalten Spieler die moderne Form eines Kulturkanons.“ Tatsächlich würde es viel Zeit und Geld kosten, sich die Originalspiele auf Plattformen wie Ebay zusammenzukaufen. Die Mini-Konsolen kosten meist zwischen 50 und 150 Euro – und sind eine gute Gelegenheit, schnell in die Videospielgeschichte einzutauchen. Wobei die Hersteller nicht selten für ihre Auswahl an vorinstallierten Spielen kritisiert werden. So bemängeln Fachjournalisten und Spielefans gleichermaßen, dass bei der Playstation Classic wichtige Titel wie Gran Turismo, Tomb Raider oder Crash Bandicoot fehlen. Beim C64 Mini wiederum vermissen Fans Klassiker wie Zak McKracken oder Maniac Mansion. Bei einigen Mini-Konsolen lassen sich weitere Games per USB-Stick hinzufügen. Doch erstens ist das nicht im Sinne der Hersteller. Und zweitens begeben sich Spieler beim Download in eine rechtlich tiefgraue Zone.

Der Aufschwung der Mini-Konsolen ist Bestandteil eines allgemeinen Retro-Booms. Seltene Originalspiele erzielen am Markt oft Preise von mehreren Hundert Euro. In Städten wie Berlin, Hamburg oder München gibt es lebendige Communities, die sich regelmäßig zum gemeinsamen Zocken treffen und Tauschbörsen veranstalten. Auch auf Spielemessen ist der Trend nicht zu übersehen: Die Gamescom in Köln bot Besuchern dieses Jahr eine „Retro Area“ von 1600 Quadratmetern, auf der sich Sammler, Spieleentwickler und Musiker tummelten. Auch das Berliner Computerspielemuseum meldet steigende Besucherzahlen. „Wir bieten einen Querschnitt durch die Videospielgeschichte, von den 1950ern bis heute“, sagt Mascha Tobe. „Wir haben zu allen Wegmarken spielbare Exponate auf Original-Hardware.“

Immer mehr Firmen springen auf den Retro-Games-Zug auf. Der französische Publisher Microïds etwa hat gerade die „Retrollector Edition“ des Kult-Hüpfspiels Toki veröffentlicht – inklusive eines Bastelsets aus Holz, mit dem sich die Switch-Konsole in einen Arcade-Automaten verwandeln lässt. Die Firma Strictly Limited Games aus Halle verkauft streng limitierte Fassungen von Retro-Spielen wie Fox n Forests oder Tokyo 42 – allerdings für aktuelle Konsolen wie die Playstation 4. Das Kicksarter-Spiel Tanglewood schließlich erscheint sowohl auf der Download-Plattform Steam als auch auf einem Speichermodul, das mit der alten Sega Mega Drive kompatibel ist.

Alte Spiele und Konsolen sind ein Spekulationsobjekt

Für Christian Corre liegt dem Retro-Boom eine gehörige Portion Nostalgie zugrunde. „Die Spieler wollen sich ihre Kindheit zurückholen. Und sind jetzt finanziell besser ausgestattet“, sagt Corre, der zusammen mit Armin Hierstetter das Community- und Handelsportal retroplace.com betreibt. Der Experte hat beobachtet, dass es auf dem Markt bestimmte Zyklen gibt: „Angesagt sind immer die Konsolen, die etwa 20 Jahre alt sind.“ Derzeit erlebe etwa die Playstation 1 einen Aufschwung: „Bestimmte Spiele ziehen im Preis an, manche werden sogar richtig rar.“ Beim Atari VCS und beim Nintendo Entertainment System sei der Hype mittlerweile wieder etwas abgeebbt, so Corre: „Beide Konsolen waren etwa fünf Jahre lang hochpreisig.“ Allerdings blieben sehr seltene Spiele dauerhaft teuer, betont der Händler: „Das hängt alles vom Zustand des Spiels ab.“ Corre unterscheidet mehrere Käufertypen: „Es gibt den Sammler, der ein Spiel auch als loses Modul kauft – Hauptsache, er hat es. Und es gibt die Leute, die für die Vitrine sammeln, so wie ich. Da muss dann aber auch Anleitung und Originalverpackung dabei sein.“ Retro-Games seien aber auch ein beliebtes Spekulationsobjekt, so Corre. Sie böten eine gute Rendite – ähnlich wie beispielsweise Oldtimer.

2410 Euro für ein altes Videospiel

Corre selbst hat ein perfekt erhaltenes Exemplar des SNES-Spiels Mega Man X3 auf Ebay verkauft – für 2410 Euro. Welche Konsolen-Klassiker wohl den nächsten Hype erleben? Corre glaubt, dass die Wii U eines Tages boomen wird. Nintendo hat die Produktion der 2012 erschienenen Konsole bereits 2017 wieder eingestellt. Attraktiv für Sammler könnten laut Corre bestimmte Exklusivtitel wie Yoshi's Woolly World, Xenoblade, Paper Mario und Star Fox werden: „Ich bin davon überzeugt, dass eine gut erhaltene Wii-U-Sammlung in fünf bis acht Jahren viel Geld bringt.“ Den Trend zu Mini-Konsolen verfolgt er mit skeptischem Wohlwollen: „Ich mag sie, wenn sie mit Liebe gemacht sind – so wie die NES und die SNES. Vielleicht kommen die Leute dadurch wieder auf den Geschmack und kaufen sich auch noch das Original.“

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