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Wirtschaft: Polen geht voran

Mit etwas Beklommenheit gingen die Polen im Juni 1989, als sie zum erstenmal seit Kriegsende frei wählen durften, in die Wahllokale. Es war unsicher, ob die Kommunisten das Wahlergebnis anerkennen würden.

Mit etwas Beklommenheit gingen die Polen im Juni 1989, als sie zum erstenmal seit Kriegsende frei wählen durften, in die Wahllokale. Es war unsicher, ob die Kommunisten das Wahlergebnis anerkennen würden. Denn mit den Wahlen wollten sie in erster Linie Solidarnosc in Mißkredit und, wenn möglich, sogar zu Fall bringen. Der Rest - der Sieg der Solidarnosc und die Anfänge des Aufbaus eines neuen Wirtschaftssystems - ist Geschichte.

Geschichte allerdings, die wichtig ist. Vor allem für andere ehemalige Ostblockstaaten, die das kommunistische Erbe noch nicht überwunden haben. Dort suchen die Menschen nach dem Elixier von Wohlstand und Stabilität, auch wenn ihre Regierungen bislang noch nicht bereit sind, demokratische Reformen oder eine ernsthafte Liberalisierung der Märkte zu versuchen.

In Polen ist es zumindest teilweise der "Schocktherapie" zuzuschreiben, daß es rasch bergauf ging: Das Land hat als erstes unter den osteuropäischen Staaten ein positives Wirtschaftswachstum verzeichnet - zwischen 1992 und 1998 betrugen die Wachstumsraten im Durschschnitt 5,2 Prozent. Zudem wurden viele Direktinvestitionen im Land getätigt. Und 60 Prozent der Güter und Dienstleistungen werden an die Europäische Union verkauft; in Rußland sind es dagegen nur sieben Prozent.

Nicht daß sich Polen auf diesen Lorbeeren ausruhen darf. Noch besteht erheblicher Reformbedarf. So kontrolliert der Staat bis jetzt 40 Prozent der polnischen Wirtschaft. Und: noch ist ein Viertel der polnischen Erwerbstätigen in der Landwirtschaft oder damit verbundenen Branchen beschäftigt. Das ist ein gewaltiges Hindernis für den Eintritt in die Europäische Union (EU), würde doch die EU-Mitgliedschaft Polens das europäische Agrarbudget sprengen.

Trotz unterschiedlicher Reformwege haben die tschechische Republik und Ungarn mit Polen etwas Wichtiges gemein: Alle drei Länder haben sich von der kommunistischen Planwirtschaft verabschiedet und kämpfen darum, eine Marktwirtschaft nach dem Vorbild westlicher Demokratien zu werden. Die damaligen Reformer - vom Polen Leszek Balcerowicz über den Tschechen Václav Klaus bis zum (gescheiterten) Russen Jegor Gaidar - haben rasch die Preise liberalisiert und rigide, anti-inflationäre Maßnahmen ergriffen, um Vertrauen in die Währung zu schaffen. Zudem haben sie mit der raschen Privatisierung der Staatsunternehmen die Entstehung von Privateigentum gefördert. Dabei war den Politikern bewußt, wie wichtig ein umfassendes Rechtssystem ist. Auseinander gingen die Meinung der osteuropäischen Reformer darin, ob die Reformen graduell oder auf einen Schlag durchgeführt werden sollten.

Von Polen können unter anderem China, ein Prototyp für graduelle Reformen, und Rußland etwas lernen. Und das ist vor allem folgendes: Der Erfolg hat sich in Polen vor allem dadurch eingestellt, daß die Bevölkerung an der Vision der Politik teilhatte und daß die von ihr gewählte Regierung ihr letztlich sehr viel mehr bot als die Kommunisten es hätten tun können.

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