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Wirtschaft: Polen hat große Pläne Warschau will sich

von Moskau lösen.

Warschau - Polen könne zu einem zweiten Norwegen werden, frohlockt der dortige Regierungschef Donald Tusk: ähnlich wohlhabend, ähnlich unabhängig. Der Grund für seinen Optimismus liegt in amerikanischen Schätzungen, wonach in der östlichen Hälfte Polens bis zu fünf Billionen Kubikmeter Schiefergas tief unter der Erde lagern könnten. Dies würde reichen, um den polnischen Erdgasbedarf auf rund 100 Jahre hinaus zu decken. Nach ersten erfolgreichen Probebohrungen wurde die Schiefergasförderung in Polen zur nationalen Priorität erklärt.

112 Lizenzen für Probebohrungen hat der Staat bereits erteilt – darunter an Weltkonzerne wie Exxon-Mobile, Chevron, Conoco-Philips, aber auch an die polnische Energiefirma PKN Orlen sowie die staatliche Petrolinvest und PGNiG.

42 Probebohrungen waren bis Ende 2012 im Gang – weitgehend ohne Widerstand in der Bevölkerung. Einzig in Strzeszewo, rund 80 Kilometer nordwestlich von Danzig gelegen, macht eine Bürgerinitiative gegen die Bohrungen des britisch-amerikanisch-polnischen Konsortiums Conoco-Philips/Lane Energy Poland mobil. Die Bürger der abgelegenen Ortschaft nahe der Ostsee fürchten um ihre landschaftliche Idylle. Vor allem wollen sie genau wissen, welche Chemikalien beim Fracking in die Erde gepumpt werden – und wie gefährlich sie sind (siehe Text rechts).

Darüber allerdings hüllt sich das Konsortium in Schweigen. Der Protest hat landesweit für Aufsehen gesorgt, nachdem sich zeigte, dass der Inlandsgeheimdienst ABW Telefone der Protestführer abgehört hat. In Polen wird in diesem Zusammenhang immer wieder auf das Lobbying des russischen Gas-Giganten Gazprom gegen die Schiefergasförderung hingewiesen. Russland verfügt über keine nennenswerten Vorkommen, zugleich beliefert Gazprom die gesamte EU mit konventionellem, aber teurem Erdgas.

Darüber, dass das Schiefergas abgebaut werden soll, auch auf Kosten der Umwelt, sind sich alle Parteien im Parlament einig; zusammen feilen sie gerade an einem Fördergesetz. Für Umweltbewusstsein ist in Polen noch wenig Platz. Die Grüne Partei spielt kaum eine Rolle. Steht das Gesetz, könnten rund 37 000 Quadratkilometer Land, etwas mehr als die Fläche Baden-Württembergs, von der Schiefergasförderung betroffen sein. Unklar ist bisher, ob eine Verseuchung des Grundwassers verhindert werden kann.

Groß in das Geschäft mit dem Schiefergas eingestiegen ist inzwischen auch die Ukraine. Am Rande des Davoser Wirtschaftsgipfels hat Energieminister Eduard Stawitzkij mit dem Energiekonzern Royal Dutch Shell ein Abkommen über die Erschließung eines Gasfeldes im Donbass geschlossen. Bereits in acht Jahren könnten dort sieben bis 20 Milliarden Kubikmeter Schiefergas gefördert werden. Das wären im optimistischen Falle zwei Drittel der Menge des Erdgases, das Gazprom heute aus Russland liefert – allerdings zu horrenden Preisen. Paul Flückiger

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