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In Bewegung. Je klarer das Wahlergebnis ausfällt, desto schneller gehen Börsianer zur Tagesordnung über. Foto: dpa

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Politische Kursbildung: Die Wahl und die Börse

Bundestagswahlen haben auf die Aktienkurse wenig Einfluss – dennoch bleibt die Börse nicht unbeeindruckt.

Von einer Debatte kann man nicht wirklich sprechen. Aber natürlich schauen auch die Börsianer in diesen Tagen auf den Wahlkampf. Die Bundestagswahl am 22. September sei auch für die Börse wichtig, heißt es auf dem Frankfurter Parkett, wo man tendenziell eher mit den Konservativen sympathisiert. Weil das so ist und weil Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Partei in allen Umfragen deutlich vor ihrem Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) und den Sozialdemokraten liegen, blicken die Aktienhändler der Wahl gelassen entgegen. Sie erwarten politische Kontinuität mit einer weiteren Amtsperiode von Merkel, entweder wieder an der Spitze einer schwarz-gelben Regierung oder einer großen Koalition. Groß wäre die Aufregung nur dann, wenn es zu einer „linken“ Regierung aus SPD, Grünen und Linke käme, sagt Fidel Helmer, seit mehr als 40 Jahren für das Bankhaus Hauck & Aufhäuser an der Börse. Für viele Börsianer ist das immer noch ein Horrorszenario.

Trotzdem gilt nach wie vor die alte Börsenweisheit, dass politische Börsen kurze Beine haben. Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, dass sich die Aufregung nach einer Wahl auf dem Parkett schnell legt und die Börsianer wieder auf Wirtschafts- und Finanzdaten schauen. Bis kurz vor der Wahl werde es an den Börsen ruhig bleiben, ist Oliver Roth, erfahrener Aktienhändler bei CloseBrothers-Seydler, überzeugt. Etliche Börsianer seien in den vergangenen Wochen im Urlaub gewesen und würden erst jetzt an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. In der Woche vor und nach der Bundestagswahl ist Anwesenheit allerdings an der Börse Pflicht.

Analysen zeigen, dass der Einfluss von Urnengängen auf die Entwicklung der Aktienkurse begrenzt ist. „Insgesamt stört sich der deutsche Aktienmarkt an Bundestagswahlen nicht sehr“, sagt Joachim Schallmayer, Volkswirt bei der Dekabank. Er hat das Börsengeschehen im Umfeld von Wahlen analysiert. „Eine besondere Verunsicherung oder Beunruhigung der Börse geht von Bundestagswahlen nicht aus.“ Nur in den drei Tagen vor und den drei Tagen nach der Wahl sei die Schwankung bei den Aktienkursen höher als an normalen Börsentagen.

Dagegen spricht auch nicht die Entwicklung vor der Bundestagswahl 2009. Damals kletterten die Kurse deutlich, bedingt allerdings durch die Überwindung der ersten Schocks nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2008, wie Raimund Saxinger, Fondsmanager bei Frankfurt Trust betont. Danach bestätigte die Börse die historische Erfahrung: Weil es ein eindeutiges Wahlergebnis gab, legten die Aktienkurse in den ersten 100 Tagen nach der Wahl im Schnitt um zehn Prozent zu.

Schallmayer zufolge kann sich kein politisches Lager zugute halten, einen systematisch besseren Einfluss auf die Börse auszuüben als die politische Konkurrenz. Im Rückblick zeigen andere Analysen, dass sich Gewinne und Verluste in Wahljahren die Waage gehalten haben. Bei 17 Bundestagswahlen seit 1949 zeigte die Börse in neun Fällen im Schnitt mit fast 28 Prozent nach oben, in acht Jahren ging es um durchschnittlich fast 17 Prozent nach unten. Was Börsianer prinzipiell wenig schätzen, ist Unsicherheit. Dies gilt auch mit Blick auf Wahlen. War der Wahlausgang in der Vergangenheit eher unklar, schlug sich dies in den Wochen und Tagen vor der Wahl in schwächeren Kursen nieder. Je eindeutiger das Wahlergebnis, desto schneller gehen die Börsianer zur Tagesordnung über, starke Kursschwankungen verschwinden. Das betonen auch Helmer und Roth.

Prinzipiell steht die Politik auf dem Börsenparkett nicht im Vordergrund. Die Einflüsse auf die Aktienkurse sind vielfältig und hängen bei Weitem nicht allein an Entscheidungen, die in Berlin gefällt werden. Ölpreise, Währungs- und Finanzkrisen, Euro-Schuldenkrise, die Wirtschaftsentwicklung in den USA und auch in China, in der Vergangenheit die Technologie-Blase, die deutsche Wiedervereinigung, die Terroranschläge in den USA 2001 und die Konflikte im Nahen Osten – all das waren Ereignisse, die das Geschehen am Aktienmarkt maßgeblich bestimmt haben oder noch bestimmen. Und wenn es an den großen Börsen in New York, in Tokio oder mittlerweile auch in Schanghai zum Crash kommt oder die Kurse stark steigen, reagiert der Aktienmarkt in Frankfurt sofort.

Und doch gibt es Entscheidungen in Berlin, die die Börse treffen, räumt Schallmayer ein – zum Beispiel der Beschluss zur Energiewende. „Am Ende des (Wahl-)Tages aber stellen wir fest, dass politische Börsen durchaus kurze Beine haben, dass Wirtschaftspolitik dagegen aber durchaus einen langen Schatten auf die Märkte werfen kann“, sagt der Banker. Dieser Schatten erstrecke sich nicht über eine Legislaturperiode, sondern eher über zwei oder drei – und damit über fünf, acht oder mitunter auch zehn Jahre.

Insofern hat sich die derzeitige Bundesregierung mit Blick auf die Aktienkurse wenig vorzuwerfen. Die Börsenbilanz ist respektabel: Vor der Bundestagswahl Ende September 2009 stand der Deutsche Aktienindex Dax bei 5581 Punkten. Nur in einem der vier schwarz- gelben Regierungsjahre, 2011, ging es um 15 Prozent nach unten, in den anderen Jahren immer zweistellig nach oben. Auch im laufenden Wahljahr 2013 steht unter dem Strich bislang im Dax ein Plus von neun Prozent. Damit haben die Kurse seit der Bundestagswahl 2009 bis heute im Schnitt um fast 50 Prozent zugelegt.

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