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Porsche vs. VW: Wiedeking wird vom Jäger zum Gejagten

Zum Gruppenbild mit Eigentümer wird das Lächeln angeknipst: Auf der VW-Hauptversammlung lassen sich die Strategen von Porsche und VW nichts anmerken.

Hamburg - Zum Gruppenbild mit Eigentümer wird das Lächeln angeknipst. In trauter Runde stehen Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, VW-Boss Martin Winterkorn, der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) und die beiden Porsche-Clan-Chefs Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche auf dem Podium des Hamburger CCH. Gleich beginnt die Hauptversammlung der VW AG. Piëch war zuvor auf den in den vergangenen Tagen schwer angeschossenen Porsche-Chef zugegangen und hatte ihn mit seinem gewohnten Krokodilslächeln begrüßt. Die Form bleibt gewahrt, doch auch der Händedruck kann nicht überdecken, dass die scheinbar perfekt ausgeklügelte Übernahme von VW durch Porsche in schwere Wasser geraten ist.

Eine neue Kreditlinie erhielten die Stuttgarter erst in letzter Minute und das neue VW-Gesetz blockiert einen Zugriff der Stuttgarter auf die VW-Milliarden durch die Sperrminorität des zweiten großen VW-Aktionärs Niedersachsen. In der Gerüchteküche heißt es, Wiedeking und Finanzchef Härter könnten vor der Ablösung stehen, weil sich Porsche verhoben hätte. Jedenfalls verschiebt sich das Machtgefüge in Richtung Wolfsburg. Doch eine triumphale Gebärde liegt dem 62-jährigen Martin Winterkorn fern. Der VW-Konzernchef lässt sich nichts anmerken. Brav lobt er die gemeinsamen Perspektiven. „Gemeinsam haben wir das Zeug, das Kraftzentrum der internationalen Automobilindustrie zu bilden“, ruft er den Aktionären zu. Dank Abwrackprämie ist VW schneller als erwartet an Branchenprimus Toyota herangerückt. Mit 1,39 Millionen verkauften Autos im ersten Quartal ist VW in Sichtweite der Japaner, die auf 1,53 Millionen kamen.

Die Sitzordnung im weiten Rund des CCH erhält auf der Hauptversammlung Symbolhaftes. Winterkorn, umgarnt und gelobt, thront in der Mitte, direkt neben ihm VW-Aufsichtsratschef und Porsche-Miteigentümer Ferdinand Piëch, während sich Porsche-Chef Wiedeking als einfacher VW-Aufsichtsrat mit einer Position am Rande des Podiums begnügen muss. Mehr als neun Milliarden Euro Schulden drücken die Stuttgarter wegen des Kaufs von VW-Aktien. Klar scheint zu sein, dass Porsche frisches Geld braucht und über die Ausgabe einer Anleihe nachdenkt.

Für die erfolgsverwöhnten Porsche- Manager ist es eine neue Erfahrung, dass der Sportwagenbauer wenige Monate nach dem größten Coup in der Firmengeschichte plötzlich als Verlierer wahrgenommen wird. Dabei hat der neue Porsche-VW-Komplex keineswegs ein Geldproblem – die Barreserven liegen nur an der falschen Stelle, nämlich in Wolfsburg. Auf satte 10,7 Milliarden Euro konnte VW seine Nettoliquidität im ersten Quartal dieses Jahres steigern – und das trotz der schwersten Branchenkrise seit Jahrzehnten.

In Wolfsburg wird laut Unternehmenskreisen ein völlig neues Szenario durchgespielt: Eine Übernahme der Porsche AG durch VW. Das operative Geschäft der Stuttgarter würde damit als zehnte Marke von VW ins operative Geschäft der Wolfsburger integriert. Die Idee soll von Piëch stammen, Porsche dementiert natürlich.

Bitter für Wiedeking: Der Jäger würde zum Gejagten. Die Porsche-Holding, unter deren Dach die Stuttgarter sowohl die Porsche AG als auch ihre Mehrheitsbeteiligung an VW aufgehängt haben, würde jedoch auf einen Schlag ihre Schulden los. Doch einen ganz beachtlichen Makel hätte auch diese Lösung für die Stuttgarter: Sie würden sich selbst entmachten. Volkswagen mit Konzernchef Winterkorn würde dann das gesamte operative Geschäft mit allen Marken führen – der Porsche-Holding bliebe nur noch die Funktion einer reinen Finanzgesellschaft. Carsten Herz (HB)

Carsten Herz (HB)

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