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Ola Källenius und Dieter Zetsche bei einem Autorennen in Hockenheim.

© imago/HochZwei

Er soll Daimler retten: Zetsche-Nachfolger Ola Källenius tritt an

Dieter Zetsche tritt nach 13 Jahren an der Daimler-Spitze ab. Sein Nachfolger hofft, dass die schmutzige Unternehmensvergangenheit Geschichte ist.

Die Zeiten, in denen Dieter Zetsche auf das Pferd setzte, sind lange vorbei. In seiner Jugend und während des Elektrotechnik-Studiums nahm der heute 66-jährige Daimler-Chef als Dressurreiter an Turnieren teil. Immerhin den Pferdestärken ist er treu geblieben – und dem Daimler-Konzern: Mehr als 40 Jahre ist Zetsche für den Stuttgarter Autohersteller tätig.

An diesem Mittwoch ist Schluss. Auf der Hauptversammlung in Berlin werden die Aktionäre Ola Källenius an die Konzern-Spitze wählen. Auch der Schwede, bislang Entwicklungsvorstand, ist schon 26 Jahre „beim Daimler“. Tradition verpflichtet.

Mit Applaus ist zu rechnen

Mit Applaus für den langjährigen Vorstandsvorsitzenden ist auf dem Berliner Aktionärstreffen zu rechnen. 13 Jahre und ein paar Monate war Dieter Zetsche, der Mann mit dem ausladenden Schnauzbart, Daimler-Chef. Und wenn alles läuft, wie es bei großen Aktiengesellschaften so häufig läuft, dann sehen die Aktionäre Zetsche in zwei Jahren wieder – als Aufsichtsratsvorsitzenden.

Zunächst muss er „abkühlen“, wie es das Aktienrecht vorschreibt. Danach soll er kontrollieren, wie Källenius sein Erbe verwaltet, oder besser: wie er mehr daraus macht.

Daimler braucht eine Frischzellenkur

Denn Daimler, die Marke mit dem Stern, der weltgrößte Lkw-Bauer, der Erfinder des Automobils, braucht eine Frischzellenkur. Källenius, der im Juni 50 Jahre alt wird, soll sie dem Traditionsunternehmen verabreichen. Dabei wird er nicht alles anders machen, aber er wird Daimler in einer neuen Struktur aus rechtlich selbstständigen Divisionen anders führen als Zetsche.

„Projekt Zukunft“ nennen die Schwaben den vor knapp zwei Jahren angestoßenen Umbau. Im Kern geht es darum, den Konzern mit weltweit 300.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 167 Milliarden Euro schlagkräftiger, flexibler und moderner zu machen. Weg vom reinen Blechbieger, hin zum Mobilitätsanbieter. Daimler macht, was alle in der Branche machen.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Daimler-Mitarbeiter

Zu Gute kommt dem neuen Chef, dass er gegen den Strich denken kann und dass er – anders als Zetsche – kein Ingenieur ist. Källenius würde sich zwar selbst auch als einen dieser in der Branche verbreiteten „Car Guys“ bezeichnen, die mit Grausen an das Ende des Verbrennungsmotors denken. Aber Källenius vertritt nicht das überzogene Berufsethos der Ingenieure, die glauben, die Probleme der Welt ließen sich mit technischem Fortschritt lösen.

Wohin dieser Irrglaube führt, zeigt die Dieselaffäre, die auch den promovierten Ingenieur Zetsche noch einholen kann – mit dann unabsehbaren Turbulenzen für seinen Nachfolger. Der Verdacht, dass auch Daimler illegale Abgas-Software in seinen Fahrzeugen verbaut hat, steht im Raum. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Daimler-Mitarbeiter, ein Bußgeldverfahren läuft.

Aufmerksamkeit auf Elektromobilität

Das Unternehmen bestreitet alles, wehrt sich gegen die Vorwürfe juristisch. Unbeschädigt geblieben ist das Image des Dax-Konzerns gleichwohl nicht. Gut in Erinnerung sind die Bilder von Zetsche, der im Jahr 2018 beim Bundesverkehrsministerium antreten muss. Ein Rückruf von 700.000 Dieselwagen folgte – und die Zustimmung aus Stuttgart, sich an den Kosten von Hardware-Nachrüstungen zu beteiligen.

Inzwischen ist es dem Dieselskandal- Konzern Volkswagen besser als Daimler gelungen, die Aufmerksamkeit auf das Thema Elektromobilität und Klimaschutz zu lenken. Auch bei der Berliner Politik hat VW-Chef Herbert Diess Boden gut gemacht. Källenius wird dem etwas entgegensetzen müssen.

Bis 2039 klimaneutral

Vor einer Woche verkündete er die Nachhaltigkeitsstrategie, mit der Daimler bis 2039 klimaneutral werden soll. 2030 soll die Hälfte aller verkauften Mercedes rein elektrisch oder als Plug-in-Hybrid unterwegs sein. „Die Geschäftsstrategie an sich muss nachhaltig sein“, sagte der Schwede.

Ob Källenius den Daimler-Konzern tatsächlich skandinavischer macht, ihm eine neue Sensibilität und Entspanntheit im Umgang mit Umweltthemen beibringen kann, wird sich zeigen. Zweifel sind erlaubt, wenn man sich seine Biografie vor Augen hält. Geboren 1969 an der Südküste Schwedens, in Västervik, studierte Källenius in St. Gallen Internationales Management und Finance and Accounting.

1993 noch Teilnehmer einer internationalen Nachwuchsgruppe

1993 begann er als Teilnehmer einer internationalen Nachwuchsgruppe seine Karriere bei Daimler. Für Führungsaufgaben qualifizierte sich der Schwede ab 1995 in den USA, wo der Daimler- Konzern in Tuscaloosa sein erstes Auslandswerk aufbaute und begann, SUVs zu bauen – die Verkaufsschlager der Gegenwart.

Nach fünf Jahren kehrte Källenius nach Stuttgart zurück und kletterte danach trittsicher die Karriereleiter nach oben: AMG-Chef, Vertriebschef bei Mercedes, später Konzernvorstand Vertrieb, dann Forschungs- und Entwicklungschef und nun die Krönung.

Symbol für den Kulturwandel

„Hi, ich bin der Ola“ – der von Mitarbeitern kolportierte und mitunter auf der Bühne gehörte Begrüßungssatz mag ein Symbol für den Kulturwandel sein, den der Neue einleiten kann. Auch, wenn das schwedische „Du“ noch kein Zeichen von Vertraulichkeit ist. Rein äußerlich muss Källenius dem einst als steif und konservativ geltenden Daimler-Konzern jedenfalls keine neuen Outfits vorleben.

Das hat schon Dieter Zetsche in Jeans und Sneakers erledigt. Die dürfte er am Mittwoch im Kleiderschrank lassen. Auf der Hauptversammlung geht es feierlich zu. Einige Aktionäre werden es sich trotzdem nicht nehmen lassen, den künftigen Rentner und seinen Aufsichtsrat zu fragen, ob sich Zetsche seine Pensionszusagen verdient hat: 42 Millionen Euro.

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