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Martin Hellwig ist Direktor des Max-Planck- Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn.

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Position: „Die Zentralbank braucht keinen Gewinn“

Hand-Werner Sinn verkennt bei der Diskussion um die Politik der Europäischen Zentralbank die Wirkungen auf das Geldsystem. Ein Kommentar

Hans-Werner Sinn ist ein ausgewiesener Spezialist für Staatsfinanzen. Mit dem Geldwesen dagegen hat er sich wissenschaftlich nicht beschäftigt. Das mag erklären, warum er in Diskussionen um die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) fast immer nur über die Risiken für die Steuerzahler spricht und fast nie über die Wirkungen auf das Geldsystem.

Bei Sinn findet eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der EZB-Geldpolitik nicht statt

So auch in seinem Artikel „Das Eurosystem ist wie eine Aktiengesellschaft“ im Tagesspiegel vom 11. Februar 2015. In dieser Replik auf einen Artikel von Harald Schumann räumt Sinn erstmals ein, dass etwaige Verluste der EZB keine Nachschusspflicht der Steuerzahler begründen. Er betont aber, dass solche Verluste die Ausschüttungen der EZB an die Mitgliedstaaten vermindern. Diese würden dadurch geschädigt, so wie Aktionäre durch den Ausfall von Dividenden. Der grundsätzlichen Erwägung folgt ein Zahlensalat, der jeglicher Logik entbehrt und wohl nur vermitteln soll, dass die Risiken groß sind, und deshalb die Geldpolitik der EZB des Teufels ist. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Geldpolitik findet nicht statt.

In der Bankenkrise von 1931 gab es staatliche verordnete "Bankfeiertage"

Die Botschaft von Sinns Artikel hörte ich schon früher, nach einem Vortrag, den ich im Dezember 2014 in München hielt. Damals sagte er: „Die EZB muss auf ihre Gewinne achten und darf nicht etwa marode Banken unterstützen.“ In meiner Antwort verwies ich auf die Bankenkrise von 1931. Damals war eine der Großbanken, die Danatbank, überschuldet. Die Reichsbank stützte sie dennoch. Am 9. Juli hörte sie damit auf, da ihr selbst die nach den damaligen Regeln erforderlichen Reserven an Gold und Devisen fehlten. Es folgte ein Kundenansturm auf alle deutschen Banken. Die Danatbank musste am 13. Juli schließen. Am 14. und 15. Juli gab es staatlich verordnete allgemeine „Bankfeiertage“, danach drei Wochen nur eingeschränkten Zahlungsverkehr. Der Staat rekapitalisierte die Banken, aber die Schäden waren gleichwohl groß. Die Wirtschaftstätigkeit brach noch einmal um 20 Prozent ein, auf 60 Prozent des Niveaus vor 1929, und die Beschäftigung ging um weitere zwei Millionen zurück.

Manchmal könnte es sich lohnen, Prinzipien zu brechen

Natürlich ist es anrüchig, wenn die Zentralbank einen Bankrotteur rettet. Aber wäre es nicht besser gewesen, die Reichsbank hätte im Juli 1931 genau dies tun und die Danatbank weiter stützen können? Dabei muss man noch nicht einmal an den 30. Januar 1933 denken. Es genügt, sich das Elend des Jahres 1932 vor Augen zu halten. Allerdings lehnen die Prinzipienreiter in der Diskussion um die Rolle der Zentralbank es regelmäßig ab, auf diese Frage zu antworten.

Die Reichsbank erzielte 1931 einen hohen Gewinn

Übrigens erzielte die Reichsbank 1931 einen hohen Gewinn. Sie hatte den Banken sehr hohe Kredite gegeben, zu sehr hohen Zinssätzen, sechs bis sieben Prozent vor der Krise, zehn Prozent und mehr im Juli und August 1931. Die hohen Zinssätze sollten den Abfluss von Gold und Devisen stoppen. Für die Gewinne der Reichsbank waren sie toll, für die Wirtschaft waren sie Gift.

Die EZB könnte ihre Gewinne steigern, wenn sie höhere Zinsen verlangte

Die EZB könnte ihre Gewinne heute deutlich steigern, wenn sie von den Banken höhere Zinsen verlangte. Ist das ein Kriterium? Nach der Logik von Sinn: Ja. Nach den Statuten der EZB: Nein. Anders als die von Sinn beschworene Aktiengesellschaft ist die Zentralbank nämlich nicht auf Gewinne hin ausgerichtet. Ihre Aufgabe ist laut Vertrag, „die Geldpolitik der Europäischen Union festzulegen und auszuführen“ und „das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern“. Die Versorgung der Wirtschaft mit Geld und das Funktionieren der Zahlungssysteme sind seit August 2007 gestört. Die Politik der EZB hat seitdem versucht, die Störungen zu beheben, teilweise auf Kosten der Gewinne. Von Gewinnen als Ziel der Europäischen Zentralbank ist im Vertrag allerdings nichts zu lesen, auch nichts von einer Mitsprache der auf Gewinnausschüttungen schielenden Finanzminister.

Sinns Inflationswarnung ist Primitiv-Monetarismus

Hans-Werner Sinn warnt, wenn die EZB bei Verlusten das Geld einfach nachdrucke, so werde das Inflation erzeugen und die Verluste auf die Geldbesitzer verlagern. Warum die Europäische Zentralbank auf Verluste mit Gelddrucken reagieren sollte, ist sein Geheimnis. Und seine Inflationswarnung ist Primitiv-Monetarismus. Schon bei Milton Friedman kann man lesen, dass Geldschöpfung der Zentralbank nicht inflationär wirkt, wenn sie nur einen Rückgang der Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken kompensiert. Genau das war in der Weltwirtschaftskrise der Fall und ist erneut so seit 2007. Hans-Werner Sinn selbst hat 2009 schon einmal darüber geschrieben. Warum hat er das seither vergessen?

Der Autor ist Direktor des Max-Planck- Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn

Martin Hellwig

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