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Wirtschaft: Post aus Tokio: Ferien vor der Haustür

Eigentlich wollte Kumiko über die Weihnachtsfeiertage auf die Insel Yakushima vor der Südspitze Japans fliegen und dort unter 7000 Jahre alten Zedern spazieren gehen. Doch obwohl sie sich schon im Oktober erkundigt hatte, war kein Flug mehr zu bekommen.

Eigentlich wollte Kumiko über die Weihnachtsfeiertage auf die Insel Yakushima vor der Südspitze Japans fliegen und dort unter 7000 Jahre alten Zedern spazieren gehen. Doch obwohl sie sich schon im Oktober erkundigt hatte, war kein Flug mehr zu bekommen. Alles ausgebucht - von japanischen Touristen. Immerhin eine zweitägige Reise nach Kyoto konnte Kumiko noch ergattern, zwar nicht zum Jahreswechsel, aber immerhin ab dem 4. Januar. Zu einem Zeitpunkt, wo die meisten Urlauber schon wieder auf dem Rückzug sind. Denn die traditionelle Hauptreisezeit zum höchsten japanischen Fest, dem Neujahrsfest O-shogatsu, liegt zwischen dem 23. Dezember und 3. Januar.

In diesem Winter hat ein neuer Trend eingesetzt. Nie zuvor sind so viele Japaner auf Reisen gewesen, nach einer Umfrage der größten japanischen Reiseagentur Japan Travel Bureau (JTB) mehr als 30 Millionen - das entspricht dem Großraum Tokio. Nicht Hawaii, USA oder Europa heißen die Reiseziele, sondern Hakone, Izu oder Südjapan. Mehr als 98,6 Prozent der reisenden Japaner blieben in diesem Winter laut JTB im eigenen Land. Das hat es seit Beginn der Untersuchungen 1969 noch nie gegeben.

Europa und Amerika stehen normalerweise ganz oben auf der Liste der Reisehungrigen. Doch dort lauern seit dem 11. September Gefahren. Terror und Krieg schrecken die ängstlichen Japaner ab. Schwarzwald und Neuschwanstein müssen warten, genauso wie New York oder Los Angeles. Zur Zeit wagt man sich nicht einmal mehr auf das sonst so beliebte Hawaii. Die Inselkette, nur acht Flugstunden von Tokio entfernt, ist seit jeher fest in japanischer Hand. Reiseveranstalter werben verzweifelt mit Preisnachlässen bis zu 30 Prozent, und doch kommt kaum jemand.

Um fast die Hälfte, um mehr als 46 Prozent, sind Fernreisen eingebrochen. Nur ganz couragierte Auslandsurlauber ließen sich durch die Terroranschläge nicht von ihren Plänen abbringen. Die Mehrzahl, bis zu 70 Prozent, buchte um auf inländische Reisen. Dabei wäre der Trip nach Europa über Weihnachten und Neujahr ideal platziert gewesen, denn kaum sonst stehen so viele Reisetage zur Verfügung. Die normale Reisedauer für Fernziele wie Europa oder USA beträgt nach japanischer Rechnung ohnehin nur fünf Tage. Mehr Zeit am Stück haben durchschnittliche Arbeitnehmer nicht.

Und noch dazu wäre die Europatour günstiger, als fünf Tage in Japan zu verreisen. Ein Ryokan, das traditionelle japanische Gasthaus, fängt bei etwa 30 000 Yen (um die 300 Euro) an, Wohlfühl-Komfort zu bieten. In Business-Hotels ist das Doppelzimmer mit etwas Glück zwar schon ab 120 Euro zu bekommen, aber die richtige Verwöhnatmosphäre will dort nicht aufkommen.

Noch ist die Sorge vor Anschlägen stärker als der Wunsch, die Welt zu sehen. Wie lange sich die brachliegende Wirtschaft über den neuen Trend zu Ferien vor der Haustür noch freuen darf, wird sich im Mai zeigen: Dann steht mit der "Golden Week" für ganz Japan der nächste "längere" Urlaub an.

Ulrike Haak

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