zum Hauptinhalt
Ein Sherpa in Berlin. Jens Weidmann ist seit fünf Jahren Abteilungsleiter Wirtschaft im Kanzleramt und damit einer der engsten Berater der Bundeskanzlerin.

© dapd

Update

Präsidentenamt bei der Bundesbank: Weidmanns Wechsel

Nachfolger von Axel Weber: Jens Weidmann, der wichtigste Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, geht zur Bundesbank und wird deren Präsident.

Ein junger Mann mit weichen Gesichtszügen und schütterem Haar geht ein paar Schritte hinter der Kanzlerin. Während sie alleine auf die Bühne strebt, springen im Publikum Männer auf, die offenkundig darauf gewartet haben, mit ihm wenigstens ein paar Worte zu wechseln. Ein indischer Milliardär ist der Erste, der Finanzvorstand der Allianz und der Generaldirektor der Welthandelsorganisation müssen warten. Solche Szenen wie vor kurzem beim Weltwirtschaftsforum in Davos spielen sich regelmäßig in Berlin und bei Gipfeltreffen in aller Welt ab.

Der junge Mann heißt Jens Weidmann, inzwischen 42 Jahre alt und schon seit fünf Jahren Abteilungsleiter Wirtschaft im Kanzleramt. In der Finanzkrise und in der folgenden Rezession, der größten seit den 30er Jahren, war er Angela Merkels wichtigster Berater. Er half ihr, historische Momente zu bewältigen, für die es keine Lehrbücher und keine Blaupausen gibt. Über unermessliche Beträge war zu befinden: 480 Milliarden Euro für den Sonderfonds zur Rettung der Banken, 115 Milliarden Euro gegen die Kreditklemme bei den Unternehmen, 80 Milliarden Euro für die Konjunktur. Ob Opel oder Karstadt, ob Wirtschaftsregierung oder WestLB – stets ist Weidmann an den Entscheidungen beteiligt gewesen.

Zu Kopf gestiegen ist ihm seine Rolle nie. Er ist wohl tatsächlich derselbe, der er war, als er das erste Mal durch die Drehtür des Kanzleramts trat – nur hat er jetzt Erfahrung und beste Kontakte. Niemand im politischen Betrieb der Hauptstadt verliert ein böses Wort über ihn, und Unternehmen schätzen ihn als Gesprächspartner. Das liegt auch an seinem fast schon bestürzend uneitlen Auftreten. Er verkörpert den Idealtypus des Beamten, der dem Staat dient, über exzellentes Fachwissen verfügt und sich selbst nie in den Mittelpunkt stellt. Der Titel Sherpa, mit dem die Regierungsunterhändler für die Beratungen im Kreis der G 8 und G 20 bezeichnet werden, trifft bei Weidmann besonders gut: Wie ein nepalesischer Gebirgsführer half er der Kanzlerin auf die höchsten Gipfel.

In diesen Tagen steht er allerdings doch einmal selbst im Mittelpunkt: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bestätigt, dass ihr Wirtschaftsberater Weidmann zum 1. Mai neuer Präsident der Bundesbank werden soll. Das sagte Merkel am Mittwoch in Berlin. Neue Vize-Präsidentin der Währungshüter solle als erste Frau die bisherige Bankenaufseherin Sabine Lautenschläger werden. Weidmann tritt die Nachfolge von Bundesbankchef Axel Weber an, der im April zurücktritt.

Von den Koalitionspartnern werde kein Einspruch erhoben, verlautete aus den üblichen Regierungskreisen, auch wenn die noch am Dienstag FDP erklärte: „Es ist noch keine Entscheidung gefallen.“ Und auch von der Opposition hat er, so ungewöhnlich das mitten in der Hartz-IV-Blockade ist, kaum Gegenwind zu befürchten. „Falls es so sein sollte, wäre Herr Weidmann gut beraten, seine Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen“, mahnt Joachim Poß, der SPD-Finanzpolitiker, zwar. Aber er fügt hinzu: „An seiner fachlichen Eignung ist ja in der öffentlichen Diskussion von keiner Seite gezweifelt worden.“

Unabhängigkeit – das ist das wichtigste Gut einer Zentralbank. Nur auf den ersten Blick passt es nicht, dass in deren Vorstand ein enger Berater der Regierungschefin einrücken soll. Aber Jens Weidmann kommt von der Bundesbank, dort hatte er die geldpolitische Abteilung geleitet, von dort hatte ihn die Kanzlerin geholt. Und seine Vita hat noch mehr Stationen außerhalb der Berliner Bannmeile zu bieten: Weidmann war beim Internationalen Währungsfonds (IWF), arbeitete in Ruanda, im Tschad und auf den Kapverden, und Generalsekretär der fünf Wirtschaftsweisen war er zeitweilig auch. Wer sich mit ihm unterhält, merkt schnell, dass er bei aller Loyalität zur Kanzlerin kein Mann mit parteipolitischer Agenda ist. Er analysiert sachlich, kühl, denkt die Dinge wie seine Chefin vom Ende her und schert sich nicht um Ideologien. Die Trennung der Welt in Keynesianer und Monetaristen ist seine Sache nicht.

Dass er zurück zur Bundesbank gehen würde, zeichnete sich ab, auch aus privaten Gründen: Frau und Tochter wohnen in der Nähe von Frankfurt am Main, die Pendelei ertrug er, aber sie war für ihn keine Dauerlösung. Mit seiner Berufung schließt sich ein Kreis: Denn Weidmann hat einst bei Axel Weber studiert, der mit seinem angekündigten Rückzug als Bundesbankpräsident das Ganze überhaupt ausgelöst hat. Und damals lernte Weidmann auch Jörg Asmussen kennen, heute Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Es waren diese drei Männer, die auf den Höhepunkten von Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise einen besonders engen Draht hielten. (mit rtr/dpa)

Mitarbeit: Antje Sirleschtov

Zur Startseite