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Demonstrant in Frankfurt am Main.

© AFP

Presseschau zu Blockupy und EZB: Blinder Hass und ein bürgerfernes Europa

Warum ist die Gewalt in Frankfurt am Main bei den Blockupy-Protesten so schnell so eskaliert? Und was geschieht mit den Sorgen der vielen friedlichen Demonstranten? Diskutieren Sie mit über Lehren und Konsequenzen aus den Krawallen.

Tausende Menschen waren nach Frankfurt gereist, um eigentlich für mehr soziale Gerechtigkeit und gegen einen entfesselten Kapitalismus zu protestieren, ihrer Angst vor einem Auseinanderbrechen der Gesellschaft oder schlicht der eigenen Existenzangst Ausdruck zu verleihen. Doch das sind nicht die Bilder, die vom 18. März in Erinnerung bleiben: Es sind die Krawalle und die Gewalt. Das zeigt auch der Blick in die Medien, so zum Beispiel der Kommentar aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung":

"Hundert Verletzte, das ist die schlimmste Nachricht aus Frankfurt. Das Zweitschlimmste ist nicht der hohe Sachschaden. Das Zweitschlimmste ist die Abgebrühtheit, ist die Mischung aus gespielter Naivität und kalter Berechnung auf Seiten der politischen Linken und bei manchen Gewerkschaften. Was die randalierenden Wanderkader mit Ziel Frankfurt im Sinn hatten, konnte jeder wissen. Es war nicht das erste Mal. Es sind Heuchler, die jetzt so tun, als hätte man Hass und Zerstörungswut nicht kommen sehen können."

Noch weiter geht der Bonner "General-Anzeiger", der den sogenannten "Schwarzen Block" in Richtung Terrorismus verortet: "In den vergangenen Monaten ist viel über den Rechtsterrorismus gesprochen worden. Nach den NSU-Morden war diese Debatte überfällig. Dass es auch auf der linken Seite des Spektrums ein radikales und gewaltbereites Potenzial gibt, ist dabei offenbar ein wenig aus dem Blick geraten. Das ist nicht nur ein Problem des Verfassungsschutzes oder der Polizei. Die war gestern offenbar durchaus vorbereitet. Hier ist die ganze Gesellschaft gefordert. Sie muss ihr Verhältnis zu jenen Gruppierungen klären, die vordergründig Gewalt ablehnen, ihr aber gleichzeitig Vorschub leisten."

"Kein Freiheitskampf gegen Unterdrückung und Willkür"

Die „Südwest Presse“ hält die Gewalt zudem für sorgfältlig orchestriert: "Um es einmal festzuhalten: Gestern fand kein Freiheitskampf gegen Unterdrückung und Willkür statt. Es war vielmehr eine hoch intelligent arrangierte Inszenierung, die nur ein Ziel hatte: Bilder zu produzieren, die beweisen, dass eine angeblich übermächtige Staatsmacht einen vermeintlich gerechtfertigten Protest niederknüppelt."

Die "Berliner Zeitung" überlegt angesichts der Aggression, inwiefern unsere Demokratie ingesamt immer weniger Unterstützung durch viele Bürger erfährt: "Eher schon sind die Frankfurter Krawalle ein weiteres Indiz dafür, dass gesellschaftliche Wut an den Rändern gut organisiert und gewaltbereit aufzutreten in der Lage ist. Jenseits der wie auch immer sich artikulierenden ideologischen Differenzen unterscheiden sich die Blockupy-Krieger nicht von Hooligans und Rechtsradikalen, die andernorts in Erscheinung treten, um besinnungslos prügelnd ihre Vorstellungen vom Abendland gegen eine vermeintliche Islamisierung zu verteidigen. Die deutsche Unruhe unserer Tage, so scheint es, ist von einer tiefsitzenden inneren Staatsfeindschaft beseelt, und die von ihr befallenen Akteure sind zunehmend dabei, sich aus dem Kraftfeld demokratischer Spielregeln zu entfernen.

Die politische Ratlosigkeit ist groß angesichts solcher Gewaltausbrüche, und eine einfache Antwort wird es auf die vielfältigen Formen ideologischer und religiöser Radikalisierung nicht geben. Mehr denn je aber wird deutlich, dass insbesondere auch demokratische Institutionen in einer komplizierter werdenden Welt zusätzliche Anstrengungen der Legitimation bedürfen. Neben der symbolischen Inszenierung durch ein Gebäude braucht es dringend auch Erläuterung darüber, was in ihm geschieht."

"Es ist schade, dass das Grundrecht auf Protest zum Mittel verkommt, seinen Hass auszuleben"

Die "Neue Zürcher Zeitung" indes hält zwar die "blinde Gewalt und Zerstörungswut" für unentschuldbar, fragt aber auch, inwiefern die Europäische Zentralbank (EZB) mitunter nicht auch klüger agieren könnte: "Doch daran, dass die Verkörperung eines anscheinend unglaublich mächtigen, bürgerfernen Europas, das Verlierer an den Rand drängt, irrigerweise mit der Institution EZB gleichgesetzt wird, daran ist die Zentralbank nicht ganz unschuldig. Ihr neuer Hauptsitz soll Transparenz ausstrahlen, ist aber zu einem unbescheidenen architektonischen Machtsymbol verkommen. Die EZB traut sich zu viel zu. EZB-Chef Draghi verspricht, er könne genug tun, um alle Krisenländer im Euro-Raum zu behalten. In zu vielen politischen Fragen ist der entscheidende Akteur die EZB, die unabhängig und unpolitisch handeln sollte."

Die „Thüringische Landeszeitung“ wiederum meint: "So umstritten die Flutung der Märkte mit Geld durch die EZB auch ist: Sie hilft den Krisenländern im Süden Europas, die nicht wirtschaften können. Ohne die Milliarden der Notenbank und der Euroländer wäre Griechenland vermutlich längst pleite, die Wirtschaft dort am Boden und die Armut noch viel größer. Über die Politik der EZB lässt sich streiten. Doch anscheinend sind bestimmten Demonstranten Pflastersteine wichtiger als Argumente. Es ist schade, dass das Grundrecht auf Protest zum Mittel verkommt, seinen Hass auszuleben."

In diesem Sinne können wohl viele dem Kommentar der "Süddeutschen Zeitung" zustimmem: "Es ist nicht gut, wenn es die Blödheit von Randalierern der Politik erleichtert, in ihrer eigenen Dummheit zu verharren. Es ist auch nicht gut, wenn notwendiger Protest den Krawallmachern überlassen wird."

Einen Kommentar von Tagesspiegel-Autor Frank Jansen zu den Krawallen in Frankfurt lesen Sie hier. Was denken Sie über die Ereignisse in Frankfurt, liebe Leserin, lieber Leser? Wie sollte darauf reagiert werden? Diskutieren Sie mit!

In einer früheren Version dieses Textes war zu Beginn des Artikels von der Gewalt "einiger weniger" die Rede. Angesichts der Aussagen der Frankfurter Polizei zu "4000 Gewalttätern" haben wir diesen Zusatz entfernt.

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