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Familienbanker. Oddo leitet das Institut bereits in fünfter Generation..

© Doris Spiekermann-Klaas

Privatbankier Philippe Oddo: "Wir müssen die Zukunft der EU diskutieren"

Der Pariser Privatbankier Philippe Oddo hat die BHF-Bank übernommen und eine deutsch-französische Bankengruppe geschaffen. Im Interview spricht er über seine Vorstellungen der EU, Börsengänge für Mittelständler und den deutschen Exportüberschuss.

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Herr Oddo, Sie sind ein Pariser Privatbankier, der Deutschland für sich entdeckt hat. Vor anderthalb Jahren haben Sie hier die BHF Bank übernommen. Woher kommt Ihre Liebe zu Deutschland?

Das ist ein Mix aus Vernunft und Leidenschaft. Persönlich hatte ich immer einen engen Kontakt zu Deutschland. Als Schüler habe ich einige Monate in einem Internat in der Nähe von Kleve verbracht. Obwohl es schwer war, die Sprache zu lernen, habe ich meine Mitschüler damals als sehr wohlwollend und aufgeschlossen erlebt. Mit 18 habe ich dann einen Monat lang in einer Fabrik in Karlsruhe am Band gearbeitet, später war ich als Austauschstudent in Köln. Daher kommt meine Leidenschaft für Deutschland.

Und die Vernunft?

In Frankreich hat unsere Bank einen starken Fokus auf Familienunternehmen. Wir glauben daran, dass Firmen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, langfristig erfolgreicher sind als andere Betriebe. Deutschland ist deshalb für uns besonders interessant. Schließlich ist es das Königreich der Familienunternehmen. Dazu kommt, dass Deutschland und Frankreich zusammen für 60 Prozent der Aktienmarktkapitalisierung der Euro-Zone stehen. Daher macht es viel Sinn, eine deutsch-französische Bankengruppe aufzubauen.

Wie weit sind Sie mit der Integration der BHF-Bank?

Wir sind schon gut vorangekommen. Seit Kurzem haben wir einen gemeinsamen Namen, Oddo BHF, und ein gemeinsames Logo. Geführt wird unsere Bankengruppe von einer Geschäftsleitung, in der vier Franzosen und vier Deutsche sitzen. Außerdem haben wir zwei offizielle Firmensprachen, Deutsch und Französisch.

Welche Rolle spielt die Niederlassung in Berlin?

Wir betreuen in unserer Berliner Niederlassung rund 250 Familienverbünde mit einer Mindestanlage von einer Million Euro und verwalten derzeit Kundenanlagen in Höhe von über einer halben Milliarde Euro. Berlin hat für uns im Private Wealth Management eine wichtige strategische Bedeutung. Erstens hat sich Oddo BHF von jeher auf stark wachsende junge Unternehmen fokussiert. Zweitens schätzen wir die langfristige wirtschaftliche Entwicklung des Ballungsraums sehr positiv ein. Das lässt die Vermögen wachsen, die wir verantwortungsvoll betreuen wollen.

Gemessen an der Mitarbeiterzahl ist der deutsche Standort größer als Ihr Stammsitz in Paris. Trotzdem machen Sie in Frankreich einen höheren Gewinn. Warum?

Wir erzielen in Deutschland noch nicht so viel Gewinn wie in Frankreich, das stimmt. Das braucht Zeit. In Frankreich profitieren wir unter anderem davon, dass wir eine günstigere IT haben. Statt auf Dienstleister von außen zu setzen, beschäftigen wir 150 Entwickler in Tunesien, die unsere IT-Systeme bauen und kontinuierlich verbessern. Das ist moderner und billiger. Langfristig werden wir auch in Deutschland auf unsere eigene IT umstellen. Daneben haben wir schon viel getan, um die Organisation effizienter zu machen. So beschäftigen wir in Deutschland inzwischen mehr Menschen im Vertrieb und dafür weniger in der Verwaltung. Nach einem Verlust im vergangenen Jahr in Deutschland wollen wir in diesem Jahr die Gewinnzone erreichen.

In Frankreich beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter über Aktienkäufe am Gewinn. Den deutschen Mitarbeitern haben Sie auch Anteile angeboten. Nehmen die Deutschen das auch an?

Ja, 25 Prozent unserer deutschen Mitarbeiter haben bereits Aktien unseres Unternehmens gekauft, im Schnitt in Höhe von 10 000 Euro. In Frankreich haben wir damit gute Erfahrung gemacht. Dort haben viele Mitarbeiter inzwischen mehr in unsere Bank investiert als in ihr Eigenheim.

Warum ist das sinnvoll?

Wir wollen die besten Talente anziehen und halten. Ihnen Aktien anzubieten, hilft dabei. Außerdem ziehen dadurch alle an einem Strang: Wenn unsere Bank erfolgreich ist, profitieren die Mitarbeiter, weil ihre Aktien im Wert steigen. Gleichzeitig bekommen die Mitarbeiter das Gefühl, Unternehmer zu sein statt einfach nur Angestellte. Das macht einen Unterschied, der sich schon im Kleinen zeigt: Weil sie an die Stromkosten denken, machen unserer Mitarbeiter zum Beispiel wie zu Hause auch im Büro das Licht aus, wenn sie es nicht brauchen.

Der Kapitalmarkt ist ohnehin sehr wichtig für Sie. Stimmt es, dass Sie den deutschen Familienunternehmen den Börsengang nahebringen wollen?

Wir wollen die Mittelständler nicht zum Börsengang zwingen – ihnen aber aufzeigen, wann das durchaus sinnvoll sein kann. Nehmen Sie den Fall, dass ein Familienmitglied aus der Firma aussteigen will, Ihnen aber das Geld fehlt, um ihn auszubezahlen. Dann können Sie seine Anteile an einen einzelnen Investor verkaufen oder über die Börse an viele Kleinaktionäre. Holen Sie viele Anleger statt einen Einzelnen an Bord, bleiben Sie unabhängiger. Daher sollten auch deutsche Mittelständler den Börsengang nicht per se ablehnen.

Sie betonen stets die Gemeinsamkeiten von Frankreich und Deutschland. Dabei gibt es durchaus Unterschiede: Deutschland exportiert zum Beispiel sehr viel mehr Waren ins Ausland als Frankreich. Im Wahlkampf hat Emmanuel Macron die deutschen Handelsüberschüsse kritisiert. Zu Recht?

Nein. Deutschland verfügt weltweit über die beste Industrie. Das ist gut für Deutschland und für Europa. Das exportstarke Deutschland ist unter den EU-Staaten sozusagen der Vorzeige-Schüler. Und in der Wirtschaft gilt dasselbe wie im Klassenzimmer: Die guten Schüler sind nicht für die Ergebnisse der schlechten Schüler verantwortlich. Als Macron die deutschen Exportüberschüsse kritisierte, wollte er damit in erster Linie eine Verhandlungsposition für die künftigen Gespräche mit der deutschen Seite aufbauen. Dahinter steckt Macrons Botschaft: Die Euro-Zone mit ihrer Währungsstabilität ist gut für die deutschen Exporte. Und beide Länder – Deutschland und Frankreich – sind gemeinsam dafür verantwortlich, um auch künftig das Funktionieren des Euro-Raums zu gewährleisten.

Mit anderen Worten: Deutschland muss eine Gegenleistung erbringen?

Sinnvoll wäre das. Deutschland könnte beispielsweise mehr für den Ausbau der europäischen Verteidigungspolitik tun. Auch könnte Deutschland mehr in den Aufbau der Infrastruktur in der Euro-Zone investieren. Eine dritte Möglichkeit: Warum sollte Deutschland nicht noch mehr tun, um etwa jungen Arbeitslosen aus Spanien eine Ausbildung zu ermöglichen? Es ist gut, dass Deutschland Flüchtlinge – darunter viele junge Menschen – aufgenommen hat. Aber das reicht noch nicht, um das demografische Problem zu lösen: Die Geburtenrate ist in den meisten EU-Ländern zu niedrig. Dazu zählt auch Deutschland.

Eine Baustelle, auf der sich Macron bewähren muss, ist die Reform des Arbeitsrechts. Wird ihm diese Reform gelingen?

Davon gehe ich aus. Macron hat mit Muriel Pénicaud eine Arbeitsministerin gefunden, die sich sehr gut in der Materie auskennt. Sie verfügt über gute Beziehungen zu den Gewerkschaften, was eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg ist.

Halten Sie Macron für entscheidungsfreudiger als seinen Vorgänger Hollande?

Macron verfügt über ein sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Das zeigt sich schon daran, wie viel ihm in sehr kurzer Zeit gelungen ist. Seine Bewegung „En Marche“ hat er im April 2016 gegründet – ein gutes Jahr später ist er schon Präsident. Macron hat Hollande zwar viel zu verdanken, aber er hat doch eine ganz andere Agenda als sein Vorgänger. Das zeigen allein schon die zahlreichen konstruktiven Vorschläge, die er zur Weiterentwicklung der EU vorgelegt hat – darunter ein Budget für die Euro-Zone und ein „Europäischer Sicherheitsrat“.

Wie stellen Sie selbst sich die Zukunft der EU vor?

Mein Traum sieht so aus: Wir diskutieren in allen Ländern der EU und gemeinsam darüber, wie wir einen Verantwortlichen bestimmen können, der die künftige Entwicklung Europas im Blick hat. Der europaweit das Vertrauen der Menschen genießt. Das kann bis hin zur Direktwahl eines eigenen Präsidenten gehen.

Ihr Vorschlag würde auf eine Neugründung der EU hinauslaufen.

Warum nicht? Macron hat ja gesagt, dass der EU-Vertrag geändert werden könne. Alle Länder, die über dieselbe Währung verfügen, sollen künftig politisch noch viel enger zusammenarbeiten – so sieht jedenfalls meine Vision für die EU aus.

Philippe Oddo (57) ist Chef der deutsch-französischen Bankengruppe Oddo BHF. Er stammt aus einer Pariser Bankiersfamilie und leitet das Institut bereits in fünfter Generation. Im vergangenen Jahr hat seine Bank einen Rekordgewinn von 136 Millionen Euro gemacht. Zuletzt hat er in Deutschland gleich mehrere Institute übernommen. Der früheren WestLB hat er etwa die Vermögensverwaltung Meriten abgekauft, außerdem hat er das Wertpapierhaus Close Brother Seydler erworben. Zuletzt hat er 2016 die BHF Bank übernommen – und sich dabei in einem Bieterwettstreit gegen den Chinesen Guo Guangchang durchgesetzt. Oddo pendelt heute zwischen Deutschland und Frankreich. Drei Tage die Woche ist er in der Bundesrepublik unterwegs.

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