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Wirtschaft: Private bewachen den Knast

BÜREN .Die Glastür fällt mit einem Klatsch ins Schloß.

BÜREN .Die Glastür fällt mit einem Klatsch ins Schloß.Dann herrscht eine Ruhe in dem kleinen Empfangsraum."Bitte geben Sie mir Ihr Handy und Ihren Personalausweis." Der Pförtner in blauer Dienstkleidung stellt hinter der dunkelgetönten Scheibe beides sicher, kontrolliert von seinem grüngekleideten Kollegen - grün-blaue Arbeitsteilung in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Büren.

Das moderne Gefängnis für Abschiebehäftlinge, dreißig Kilometer südlich von Paderborn, ist ein Exot in der deutschen Knastlandschaft.Hier werden Menschen aus 70 Nationen, die gegen das Ausländergesetz verstoßen haben, nicht nur von Staatsdienern (den Grünen), sondern auch von Mitarbeitern der privaten Essener Sicherheitsfirma Kötter Security (den Blauen) bewacht.

"Die Zusammenarbeit funktioniert gut", lobt JVA-Chef Peter Möller die ungewöhnliche public-private-partnership.Als Beweis führt er die mehr als vierjährige Dauer der Partnerschaft an.Damals bekam er aus Essen 50 Leute geschickt, die seinen 60 Beamten tatkräftig zur Seite stehen sollten.Ein Großteil der Neuen zeichnete sich vor allem durch eines aus: "Sie paßten in das Bild des starken Typen mit dem schnellen Griff zur Pistole." Mit dieser Einstellung konnte Möller im schwierigen Klima einer Abschiebehaftanstalt mit meist jungen Insassen jedoch wenig anfangen.Zum einen trägt niemand eine Waffe, zum anderen "braucht man hier vor allem eines: viel Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis".

Nicht nur die Kötter-Leute mußten einiges hinzulernen.Auch Möllers Beamte waren über ihre neuen Kollegen wenig begeistert.Der JVA-Chef gewann die Grünen damit, daß er sie "zu Chefs" beförderte.Sie gaben die einfacheren Aufgaben an ihre neuen Kollegen ab und übernahmen die Kontroll- und Vollzugsfunktionen.

Für Reinhard W.Ottens ist klar, daß das staatliche Gewaltmonopol für private Dienstleister tabu ist.Auch die Übernahme von Aufgaben nahe dem staatlichen Hoheitsbereich kommt für den Chef der Securitas Deutschland Holding GmbH, Düsseldorf, nur in Frage, "wenn die gesetzlichen Grundlagen stimmen".Er ist jedenfalls davon überzeugt, daß sich für die rund 1800 Firmen der Branche "der öffentliche Bereich zu einem gewaltigen Markt entwickeln wird".Die Sicherheitsfirmen suchen händeringend nach neuen Geschäftsfeldern, die über die Wach- und Schließaufgaben sowie Geld- und Werttransporte hinausgehen.Denn: In diesen Sparten, auf die 1997 der Großteil des Branchenumsatzes von rund 4,9 Mrd.DM entfiel, herrscht ein enormer Verdrängungswettbewerb über den Preis.

Bereits heute sind private Sicherheitsfirmen in einigen Bundesländern und Städten groß im Geschäft.In Berlin und München checken sie Fluggäste durch, in Frankfurt am Main verteilen sie Knöllchen und in Bayern erfassen sie per Kamera die Autoraser.Öffentliche Aufträge "machen 15 bis 20 Prozent des Branchenumsatzes aus", sagt Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen, Bad Homburg.Die Vorteile für Länder und Kommunen liegen auf der Hand: Die Privatfirmen sind billiger, flexibler und "vor allem effektiver", wie Michael Bachem, Chef der W.I.S.Sicherheit GmbH & Co.KG, Köln, anmerkt.

Das gilt auch für das Abschiebegefängnis in Büren."Kötter-Leute werden nie schwanger und nie krank", beschreibt Nowak, grüner Dienstplaner, das Plus, was seine blauen Kollegen auszeichnet.Mehr noch: Die Blauen sind besonders fleißig.Sie arbeiten zwölf Stunden, der Arbeitsalltag der Beamten endet hingegen nach acht Stunden.Da die Kötter-Leute zudem für bescheidene Stundenlöhne (von meist 14 DM) Wache schieben, spart der nordrhein-westfälische Innen- und Justizminister Fritz Behrens eine Menge Geld.Kötter-Geschäftsführer Walter Thullen schätzt, daß durch den Einsatz eines privaten Dienstleisters pro Justizvollzugsanstalt jährlich etwa "sechs bis zehn Mill.DM" eingespart werden können.

Trotz dieser Argumente ist die NRW-Landesregierung erst jetzt bereit, weitere Bereiche für die Privatwirtschaft zu öffnen.Sie hat sie vor kurzem einen Auftrag über zwölf Prozent des allgemeinen Vollzugsdienstes im offenen Strafvollzug ausgeschrieben.

GEORG WEISHAUPT (HB)

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