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Bei Licht betrachtet. Immer mehr Patienten reichen bei kleinen Behandlungen gar keine Rechnung mehr ein. Foto: dpa

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Private Krankenversicherung: Überraschend stabil

Die Beiträge für privat Krankenversicherte steigen in diesem Jahr für viele gar nicht oder nur geringfügig. Allerdings gibt es auch Ausnahmen - und versteckte Preiserhöhungen.

Im Wahlkampf hatten SPD, Grüne und Linkspartei davor gewarnt, dass die private Krankenversicherung (PKV) wegen der Prämiensteigerungen bald unbezahlbar werden könnte. Tatsächlich gönnen die Versicherer ihren Kunden aber eine finanzielle Atempause, wie eine Tagesspiegel-Umfrage ergab. Für die meisten der knapp neun Millionen privat Versicherten stiegen die Beiträge zum Jahreswechsel gar nicht oder nur geringfügig. Und gut jeder Zehnte zahlt sogar weniger als zuvor.

Branchenführer gibt die Richtung vor

Als Trendsetter erweist sich diesbezüglich der Branchenführer Debeka. Wie schon im vorigen Jahr bleiben für seine mehr als 2,2 Millionen Versicherten nicht nur die Preise stabil. Rund 600 000 Debeka-Versicherte können sich auch über Beitragssenkungen freuen. Nur in zwei Zusatztarifen seien die Beiträge für 2014 angehoben worden, sagte ein Sprecher. Die Anbieter Allianz, Barmenia, Continentale und Signal Iduna verzichten ebenfalls ganz oder weitgehend auf Erhöhungen. Für die 690 000 Allianz-Versicherten sinken die Beiträge im Schnitt sogar leicht, wie Vorstandschefin Birgit König betonte. Neukunden bekämen ihren Schutz sogar um zehn Prozent günstiger. In den beiden Vorjahren war das anders. 2012 hatte die Allianz um vier, 2013 um drei Prozent aufgeschlagen.

Beitragssenkung für Barmenia-Kunden

Die gut 400 000 Kunden der Continentale kommen diesmal ebenfalls ohne Aufschläge davon. Die 480 000 Vollversicherten der Signal Iduna werden die Beitragssteigerung um 0,1 Prozent fast gar nicht bemerken. Und bei der Barmenia werden rund 80 Prozent der Bestandskunden – das sind rund 240 000 Versicherte – durch eine stattliche Beitragssenkung beglückt. Im Schnitt würden sie um 5,7 Prozent entlastet, sagte Vorstandschef Andreas Eurich.

Die Zurückhaltung der Versicherer ist überraschend. Da die anhaltend niedrigen Zinsen bei der PKV auch die Erträge der Alterungsrücklagen schmelzen lassen, hatten Experten eher mit Preissprüngen gerechnet. Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte im Wahlkampf vor „rasant“ steigenden Beiträgen gewarnt und den privaten Krankenversicherern ein baldiges Ende prophezeit.

"Vom Gesetzgeber nicht viel zu erwarten"

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, sagte dem Tagesspiegel, es handle sich, wenn die Daten von der Branche nicht geschönt seien, um eine gute Nachricht. Schließlich sei für die privat Versicherten „in dieser Legislatur vom Gesetzgeber nicht viel zu erwarten“. In den Koalitionsverhandlungen hatte sich die SPD mit ihrer Forderung nach einer Reform des dualen Krankenversicherungssystems in Richtung Bürgerversicherung und einer Wechselmöglichkeit für privat Versicherte zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht durchsetzen können.

Als Grund für ihre Zurückhaltung nennen die Versicherer nun vor allem einen guten Schadensverlauf und geringere Ausgaben. Das bedeutet nicht unbedingt, dass die Versicherten seltener zum Arzt gehen – wegen immer höherer Selbstbeteiligungen oder lukrativer Rückerstattungsmodelle rechnet es sich für viele, kleinere Rechnungen aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Bei der Barmenia zum Beispiel reichten im vergangenen Jahr 84 000 Versicherte überhaupt keine Arztrechnung ein. Dafür erhielten sie im Schnitt jeweils 622 Euro zurück.

Immer mehr Selbstbehalte

PKV-Experten wie Lars Gatschke vom Bundesverband der Verbraucherzentrale sehen eine „Tendenz in der Versicherungswirtschaft, den Verbrauchern Selbstbehalte schmackhaft zu machen“. Das spare Bearbeitungsaufwand und halte Versicherte davon ab, wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt zu gehen. Allerdings wüchsen die Selbstbehalte mit jeder Prämienerhöhung, gibt Gatschke zu bedenken. Es handle sich um verdeckte Preiserhöhungen, mit Blick auf die Kostentransparenz sei dies problematisch. Zudem ließen sich Selbstbehalts-Vereinbarungen kaum rückgängig machen.

Den Hauptgrund für die Zurückhaltung der Versicherer bei Beitragserhöhungen sieht Gatschke allerdings anderswo: in den sogenannten Unisex-Tarifen. Laut Gesetz dürfen die Versicherer seit Ende 2012 bei der individuellen Tarifkalkulation das Geschlecht ihrer Kunden nicht mehr berücksichtigen – für Frauen, die in der Krankenversicherung generell höhere Kosten verursachen, wurde es in den neuen Tarifen also billiger. In der Annahme, dass Frauen deshalb in großer Zahl in diese Unisex-Tarife wechselten, seien diese offenbar „massiv überkalkuliert“ worden, sagt Gatschke.

Da der Ansturm ausblieb, müssten die Anbieter nun wieder runter mit den Preisen. Dafür sei dann in den Folgejahren wohl mit stärkeren Aufschlägen zu rechnen. Nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) liegen die Beitragserhöhungen der PKV zwischen 2000 und 2010 im Schnitt bei fünf Prozent – und damit deutlich über den 3,1 Prozent der gesetzlichen Kassen.

Central und Axa scheren aus

Auch die Bayerische Beamtenkrankenkasse (370 000 Versicherte) und die Union Krankenversicherung (107 000) verzichten diesmal nach eigenen Angaben „weitgehend“ auf Erhöhungen – nach Aufschlägen von 2,9 und 3,4 Prozent im Vorjahr. Bei der Halleschen PKV (243 000), der Hanse Merkur (230 000) und dem Deutschen Ring (140 000) bleiben die Beitragssteigerungen unter der aktuellen Inflationsrate von 1,5 Prozent. Die Gothaer (165 000) dagegen verlangt 2,1 Prozent mehr. Und noch tiefer in die Tasche greifen müssen wieder einmal die gut 400 000 Kunden der Central Versicherung, die um 2,8 Prozent erhöht hat (2013 waren es 2,6 Prozent), und die 780 000 Krankenversicherten der Axa. Beim drittgrößten Versicherer betrug die Steigerung im Schnitt drei Prozent – nachdem schon im Vorjahr zwei Prozent aufgeschlagen wurden. Und bei manchen Billigtarifen beträgt die Axa-Erhöhung bis zu 50 Prozent. Der Grund für derart saftige Aufschläge: zu niedrig kalkulierte Lockangebote. Allerdings betonte eine Axa-Sprecherin, dass sich 89 Prozent der Tarife zum Jahreswechsel nicht verteuert hätten.

Noch nicht über Beitragserhöhungen entschieden haben die HUK Coburg (400 000 Versicherte) und der Branchenzweite DKV (880 000). Die Anpassungen erfolgen dort jeweils zum April. Privat versichern können sich Selbstständige, Beamte und auch Angestellte, sofern sie monatlich mehr als 4462 Euro verdienen.

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