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Wohin des Wegs: Einige Beamte sollen sich künftig entscheiden dürfen.

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Update

Privatpatient wider Willen?: Für welche Beamten sich die gesetzliche Kasse lohnt

Das Land Berlin will seine Beamten künftig wählen lassen zwischen privater oder gesetzlicher Krankenversicherung. Vier weitere Länder machen das auch.

Bisher gehören sie zusammen wie Meer und Strand oder Apfel und Baum. Die private Krankenversicherung (PKV) und die Beamtenschaft sind untrennbar miteinander verbunden. Die Beamten stellen rund die Hälfte aller Kunden, die eine Vollversicherung bei der PKV abgeschlossen haben, ohne sie könnten die Privatversicherer ihre Läden wohl zumachen.

Aber auch die Beamten sind auf die privaten Anbieter angewiesen. Das liegt an einer Besonderheit im staatlichen Fürsorgesystem: Der Staat beteiligt sich an den Gesundheitskosten seiner Staatsdiener mit der Beihilfe. Diese übernimmt rund die Hälfte der Arzt-, Medikamenten- und Therapiekosten, die andere Hälfte muss der Beamte selbst versichern – und zwar über eine private Krankenversicherung. Nur diese bietet nämlich beihilfefähige Tarife an. Versichert sich ein Beamter dagegen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), ist das ein Verlustgeschäft. Die Beihilfe fällt weg. Und da der Staat anders als private Arbeitgeber keinen Zuschuss an die gesetzliche Krankenkasse zahlt, muss der Beamte in diesem Fall sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil selbst bestreiten. Kein Wunder also, dass sich die Begeisterung für dieses Modell in der Beamtenschaft bislang sehr in Grenzen hält.

In diesen Bundesländern können Beamte wählen

Doch einige Bundesländer wollen das ändern. Sie wollen ihren Beamten ein echtes Wahlrecht verschaffen – zwischen GKV und PKV. Als Alternative zur Beihilfe sollen Beamte auf Wunsch künftig auch einen hälftigen Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung bekommen können. Hamburg bietet dieses Modell seit vergangenem August an, Thüringen, Brandenburg und Bremen ziehen ab dem nächsten Jahr nach. Auch Berliner Beamte sollen künftig ein Wahlrecht bekommen. Der Senat beschloss am Dienstag entsprechende Eckpunkte.

SPD-Vize Lauterbach: "Große Herausforderungen für die PKV"

Ist das der schleichende Einstieg in den Ausstieg aus der PKV? SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach hält das für möglich. Sollten jetzt verstärkt Beamte in die GKV eintreten, würde das die PKV zweifellos „vor große Herausforderungen stellen“, sagte der Gesundheitsexperte dem Tagesspiegel. Allerdings ist der Kreis der Wahlberechtigten derzeit noch sehr überschaubar: Die Wahl haben nur diejenigen, die neu verbeamtet werden und Beamte, die bereits heute gesetzlich krankenversichert sind. Das sind vor allem Menschen mit geringer Besoldung und großer Familie, deren Kinder und Ehepartner in der GKV kostenlos mitversichert sind. In der PKV ist das nicht möglich.

Beamte, die bereits privat krankenversichert sind, haben dagegen auch künftig so gut wie keine Möglichkeit, in die GKV zurück zu wechseln. Die SPD will das ändern und PKV-Versicherten eine Rückkehrmöglichkeit in die GKV verschaffen, mit ihrem Bürgerversicherungskonzept hat sie sich aber bei den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen können.

Die PKV trifft der Ländervorstoß zu einer Zeit, in der die Versicherungen mit einem Versicherten- und Beitragsschwund zu kämpfen haben. Die Zahl der Vollversicherten sinkt, der Anstieg bei den privaten Zusatzversicherungen kann die sinkenden Beitragseinnahmen nicht ausgleichen. Dennoch hält Stefan Reker, Geschäftsführer des PKV-Verbands, die Attacke aus den Ländern für keine Bedrohung des Geschäftsmodells. „Die PKV braucht den Wettbewerb mit der GKV um Beamte auch dann nicht zu scheuen, wenn sie einen Arbeitgeberzuschuss zur GKV erhalten“, sagt Reker. Für die überwältigende Mehrheit der Beamten sei die Kombination von Beihilfe und PKV „in jeder Hinsicht vorteilhafter“. Auch im Alter. Viele Menschen befürchten, dass sie später mit horrenden Versicherungsprämien konfrontiert werden, und liebäugeln daher mit der GKV. Doch bei Beamten sieht Reker die Gefahr steigender Beiträge nicht. Denn bei Pensionären steigt die Beihilfe in aller Regel an. Das wirke sich dämpfend auf die PKV-Beiträge im Alter aus, betont Reker.

Hinzu kommt: Da die Mehrheit der Bundesländer bislang nicht mitzieht, gibt es für Beamte mit hoher Mobilität – etwa Lehrer – ohnedies keine Alternative zur PKV. In Hamburg interessieren sich daher auch vor allem bodenständige Menschen im allgemeinen Verwaltungsdienst für die Reform.

Für die GKV könnte die Reform finanziell eine Belastung sein

„Das Wahlrecht ist vor allem für Beamte in unterern und mittleren Besoldungsstufen mit Familie attraktiv, da sie von einkommensabhängigen Beiträgen und der beitragsfreien Familienversicherung in der GKV profitieren können“, räumt ein Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde ein. Bislang haben in Hamburg rund 1000 Beamte vom Wechselrecht Gebrauch gemacht, davon viele, die schon vorher gesetzlich versichert waren und sich nun über eine Halbierung ihrer Kosten freuen können. In Brandenburg sind 4000 der 34.000 Landesdiener Mitglieder in einer gesetzlichen Krankenkasse. Von den rund 58.000 Beamten in Berlin sind etwa 9000 gesetzlich versichert, hinzu kommen 17.500 Pensionäre, die Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse sind.

Paradox: Von dem neuen Wahlrecht könnte die PKV unterm Strich sogar profitieren, glaubt Peter Weiß, Sozialexperte der Unions-Bundestagsfraktion. Wenn sich Beamte mit kleinen Einkommen und großen Familien für die GKV entscheiden, sei das für die GKV finanziell eher eine Belastung, für die PKV aber eine Entlastung.

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