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Fürs Leben. An der Albert-Einstein-Fachoberschule in Charlottenburg kann man auch Musik machen.

© Afib

Privatschulen: Zweiter Versuch

Das Fachabitur öffnet beruflich viele Türen. Klappt es an der öffentlichen Schule nicht, die Hochschulreife zu erwerben, sind private Träger eine Alternative – wenn man die Kosten nicht scheut.

Sie haben oft schlechte Erfahrungen gemacht mit Schule, haben nicht in die Klasse gepasst, sind nicht zurechtgekommen mit Lehrern, dem ständigen Leistungsdruck. Und dann entdecken junge Menschen, nachdem sie einmal gescheitert sind, dass Lernen doch okay sein – und Schule Möglichkeiten eröffnen kann.

Zum Beispiel Fliegen lernen. Wer 18 ist, kann auf dem Flugplatz einen Pilotenschein machen. „Das wird bei uns als wichtiger Baustein der Persönlichkeitsentwicklung gesehen“, sagt Martina Phylaktou. Sie ist stellvertretende Schulleiterin der Albert-Einstein-Fachoberschule in Charlottenburg, die zur Akademie für internationale Bildung gehört. Die staatlich anerkannte Privatschule führt Schüler, die zum Teil auf anderen Schulen Probleme hatten, zur allgemeinen Fachhochschulreife. Fliegen ist eines der angebotenen Wahlfächer. Damit hat es zwar nicht den gleichen Status wie Mathematik oder Englisch, erklärt sie, aber doch eine wichtige Bedeutung: „Die Schüler steigern im Segel- oder Motorflugzeug ihr Selbstwertgefühl, lernen, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen, im Team zu arbeiten und zuverlässig zu sein“, sagt Phylaktou.

Etwa 350 Schulen befinden sich in Berlin in freier Trägerschaft, von Grundschulen bis zu Oberschulen sind alle Schulformen darunter. Eltern und Schülern, die sich einen Überblick verschaffen wollen, hilft Ruby Mattig-Krone, unabhängige Qualitätsbeauftragte bei der Senatsverwaltung für Bildung, in ihrer kostenlosen Sprechstunde weiter. „Die Gründe, warum eine Privatschule bevorzugt wird, sind so unterschiedlich wie die Schulen selbst“, sagt Mattig-Krone. „Einigen ist der konfessionelle Bezug wichtig, denn zu den Privatschulen gehören auch Gymnasien wie das Graue Kloster. Andere setzen auf bilinguale Privatschulen oder auf Schulen mit kleinen Klassen, weil die Kinder dort besser lernen.“

Bessere Noten, bessere Chancen auf einen Studienplatz

Sie erklärt Vor- und Nachteile: Wenn sich auf einer Privatschule die Noten verbessern, steigen die Chancen auf einen Studienplatz, denn bei der Zulassung zählt nur die Abschlussnote, egal ob der Schüler an einer privaten oder öffentlichen Einrichtung das Abitur gemacht hat. Dabei gibt sie zu bedenken: „Der Abschluss an einer Fachoberschule berechtigt in den meisten Bundesländern nur zum Studium an einer Fachhochschule.“ Kommt Berufserfahrung zum Abschluss dazu, ist aber oft auch der Einstieg an einer Uni möglich.

Swantje Goldbach hat zu dem Thema schon etwa 6500 Beratungsgespräche geführt. Sie ist die Gründerin und pädagogische Leiterin der Reformnachhilfeschule Lernwerk. 80 Euro kostet eine Beratung. Sie sagt: „Viele Jugendliche, gerade Jungs, sind ermüdet und frustriert vom theorielastigen Unterricht am Gymnasium. Bei einem Neustart an einer Fachoberschule blühen sie auf, weil der Unterricht praktischer ausgerichtet ist und sie in eine Richtung führt, die sie möglicherweise später beruflich einschlagen möchten. Dadurch werden oft auch die Noten besser.“

Ob da eine öffentliche oder private Fachoberschule die richtige Wahl ist, das ist für Swantje Goldbach erst einmal zweitrangig. An beiden Schultypen kümmern sich die Lehrer gut um ihre Schüler, sagt sie. Entscheidend sei, dass die Fachrichtung zum Schüler passt. Schön sei es natürlich, wenn die Schule darüber hinaus noch interessante Wahlfächer anbietet. Einem eher introvertierten Schüler hat sie etwa eine Privatschule empfohlen, an der Theater gespielt und freies Sprechen geübt wird. Drei Jahre später konnte er das gut gebrauchen: Bei der Aufnahmeprüfung für einen Ausbildungsplatz habe er Rollenspiele absolvieren müssen – und die Lehrstelle bekommen.

Die Schulleiter kommen aus der therapeutischen Ecke

Die rund 200 Schüler der Albert-Einstein-Fachoberschule belegen eine der drei Fachrichtungen „Gestaltung und Medien“, Sozialwesen oder Wirtschaft. Zu den Wahlfächern gehören Sprachen wie Französisch und Spanisch, auf Nachfrage auch Chinesisch oder Neugriechisch. Film, Theater, Tauchen, Schach, Kochen, Rechtskunde oder Musik sind Wahlkurse.

Ihre Schule unterscheide sich von einer öffentlichen vor allem durch das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern, sagt Martina Phylaktou. „Wir sind eben sehr nah dran“, sagt sie und meint damit nicht nur die Gruppengrößen von zwölf bis maximal 20 Schülern. Die Lehrer gehen auch anders auf die Schüler zu, sagt sie, denn die Schulleitung komme aus der „therapeutischen Ecke“: Der Direktor ist Psychologe und Soziologe, Phylaktou selbst neben Lehrerin auch analytische Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche. „Dadurch haben wir einen anderen Blick auf die Schüler und führen andere Gespräche mit ihnen“, sagt sie. Für die Lehrer gehören Fortbildungen etwa in Gesprächsführung, Empathie oder Selbstreflexion zum Alltag. Einmal die Woche tauschen sie sich in einer Teamsitzung über die einzelnen Schüler aus.

Statt einen zentralen Vertrauenslehrer zu wählen, suchen sich die Schüler einen Lehrer als Mentor aus, der sie bis zum Abschluss begleitet und mit dem sie auch persönliche Probleme besprechen können. Konflikte werden in Gesprächen statt mit Strafen gelöst, sagt sie. Die Schüler bekommen Angebote, die ihnen ermöglichen, an sich zu arbeiten: Yoga als Wahlfach und Atemmeditation in der Pause erleben viele als hilfreich, um zwischen dem Unterricht zur Ruhe zu kommen. „Uns geht es nicht nur um die Noten, wir möchten die gesamte Persönlichkeitsentwicklung unterstützen“, sagt Phylaktou. Sich selbst kennenzulernen und sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden, sei auch ein wichtiger Bestandteil für die Berufsorientierung.

Die „Fachpraktische Ausbildung“ wird in Blöcken unterrichtet: Zuerst lernen die Schüler die Theorie, dann absolvieren sie ein zwanzigwöchiges Praktikum im In- oder Ausland. Die Schule biete ein Netz von 200 Kooperationspartnern. „So werden die Schüler unterstützt, wichtige Kontakte in die Arbeitswelt zu knüpfen“, wirbt Phylaktou.

„Wenn sie ihr Fachhochschulzeugnis in der Hand haben, entscheiden sich eine Reihe von Absolventen für ein Studium an einer Fachhochschule oder, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, auch an einer Uni“, weiß sie. Aus ehemaligen Schülern seien Juristen, Therapeuten, Journalisten und auch Ärzte geworden. „Viele konnten durch uns doch noch ihren Traumberuf erreichen“, sagt sie. Dass jemand den Abschluss nicht schafft, passiere alle paar Jahre einmal.

Enge Betreuung, kleine Klassen, spezielle Kurse, das hat seinen Preis: Pro Monat kostet die Albert-Einstein-Fachoberschule 460 Euro. Besonders motivierte Schüler, die das Geld nicht aufbringen, können sich um Stipendien bewerben. Eines kostet allerdings extra: das Fliegen.

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