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Wirtschaft: Pro & Contra: Soll der Staat Exportunternehmen zum Umweltschutz zwingen?

An diesem Freitag diskutiert die Arbeitsgruppe "Hermes-Bürgschaften" der Bundesregierung einen neuen Umweltleitfaden. Die staatlichen Hermes-Bürgschaften für deutsche Ausfuhren gehören zu den Eckpfeilern der deutschen Exportförderung.

An diesem Freitag diskutiert die Arbeitsgruppe "Hermes-Bürgschaften" der Bundesregierung einen neuen Umweltleitfaden. Die staatlichen Hermes-Bürgschaften für deutsche Ausfuhren gehören zu den Eckpfeilern der deutschen Exportförderung. Entwicklungspolitiker der Grünen und der SPD fordern jetzt eine Verschärfung der Hermes-Standards. Seit 50 Jahren werden mit Hermes Exporte gegen Zahlungsausfälle im Ausland abgesichert. Allerdings wird nur ein kleiner Teil des deutschen Außenhandels mit Hilfe der Bürgschaften abgesichert - zuletzt rund drei Prozent. Über die Vergabe der Bürgschaften entscheidet der Interministerielle Ausschuss, in dem unter anderem das Finanz- und das Wirtschaftsministerium vertreten sind. Die Hermes-Arbeitsgruppe wird von Wirtschaftsstaatssekretär Sigmar Mosdorf (SPD) geleitet. Durch Hermes kann der Staat auf den Außenhandel Einfluss nehmen. Seit längerem fordern Nicht-Regierungsorganisationen daher die Regierung dazu auf, die Vergabe von Hermes-Bürgschaften an strenge soziale und ökologische Standards zu knüpfen. Die US-Exportförderagentur Opic berücksichtigt bereits solche Kriterien und fördert keine Projekte, bei denen mehr als 5000 Menschen umgesiedelt werden müssen. Auch für den Drei-Schluchten-Staudamm in China haben US-Firmen kein Geld erhalten. Bis zum Weltwirtschaftsgipfel im Juli in Genua wollen sich die G-8-Staaten auf gemeinsame Umweltrichtlinien für Exportkredite einigen. Gegen die Koppelung an Richtlinien gibt es aber auch Bedenken. Ein zu komplexer Kriterienkatalog könnte kleinere und mittlere Firmen und deren Arbeitsplätze gefährden. Nach einer Prognos-Studie sichert Hermes in Deutschland zwischen 140 000 und 216 000 Jobs. Heute steht das Thema auf der politischen Agenda.

Vor allem die Ausfuhren nach Mittel- und Osteuropa und in die so genannten Schwellenländer sind Hermes-gesichert. In Anspruch genommen werden Hermes-Bürgschaften in erster Linie von Firmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der Elektrotechnik und der Chemie. In den letzten beiden Jahren erwirtschaftete Hermes erstmals seit 1982 wieder einen Überschuss, der dem Bundeshaushalt zu Gute kam. Das Bundeswirtschaftsministerium führt diese Entwicklung im Wesentlichen auf die im vergangenen Jahr weltweit robuste Konjunktur zurück.

Pro: Der Staat darf niemanden unterstützen, der armen Ländern schadet

Angelika Köster-Lossack sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag und ist Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Hermes-Bürgschaften dienen der Förderung von Exporten. Das ist wichtig und wird auch so bleiben. Eine moderne Außenwirtschaftsförderung muss jedoch ökologische, soziale und humanitäre Grundsätze bei der Bürgschaftsvergabe berücksichtigen. Die jetzige Praxis ist unbefriedigend. Die meisten Bürgschaften gehen in Entwicklungs- und Schwellenländer. Wir sollten besonders solche Vorhaben unterstützen, die zu nachhaltigem Wirtschaften beitragen.

Firmen sehen die Bürgschaften als Unterstützung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Dies ist betriebswirtschaftlich legitim, für den Staat aber nicht ausreichend. Allein in den 90er Jahren musste der Bund mit 16 Milliarden Mark für Hermesverpflichtungen gerade stehen. Die Erfahrung zeigt, dass ökologisch und sozial fragwürdige Projekte auch oft finanziell unsolide sind. Ein ganzheitliches Risikoverständnis ist nötig, das ökologische und soziale Gefahren berücksichtigt. Ich befürchte, dass wir heute eine Diskussion wiederholen, die wir aus den 70er und 80er Jahren kennen, als Deutschland schärfere Umweltgesetze bekommen sollte. Die deutsche Wirtschaft ist daran nicht zu Grunde gegangen. Im Gegenteil, sie konnte ihre Wettbewerbsposition verbessern.

Der Mittelstand stellt zwar 72 Prozent der Anträge; sein Auftragsvolumen für diesen Bereich beträgt aber nur 15 Prozent des Hermes-Geschäfts. Im Jahr 2000 entfielen auf 25 Exportgeschäfte 28 Prozent der gesamten Deckungssumme. Da ist noch einiges zu tun: Klein- und Mittelbetriebe müssen gezielter unterstützt werden. Statt dass Menschen in den Entwicklungsländern von Großprojekten vertrieben, die Gewässer durch Pestizide verseucht und der Tropenwald abgeholzt wird, sollten wir durch eine innovative Exportförderung neue Jobs schaffen. Das Argument der Wirtschaft, wenn wir es nicht tun, dann tun es die anderen, sollte nicht überstrapaziert werden. Wer Dritten Schaden zufügt, soll dafür zur Rechenschaft gezogen und nicht durch deutsche Steuern gedeckt werden. Die "Safeguard Policies" der Weltbank haben diesen Schutz "Dritter" im Auge und gelten vorwiegend für die Bereiche Ureinwohner, Zwangsumsiedlung, Umweltverträglichkeitsprüfung, Sicherheit von Staudämmen, Schutz natürlicher Habitate. An den Standards der Weltbank orientieren sich die grünen Forderungen für ein neues Hermes-Prüfverfahren. Wenn damit die äußerste Grenze des Erträglichen bei Wirtschaftsminister Werner Müller und Michael Rogowski überschritten ist, haben sie ein Problem. An Vorüberlegungen mangelt es im BDI nicht: Noch im November 2000 hat Ex-Präsident Hans-Olaf Henkel angeregt, bei Auslandsinvestitionen den höheren Standard des Heimat- oder Gastlandes einzuhalten, und BDI-Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg bemerkte vor kurzem trefflich, dass nichts dagegen spreche, die Umweltstandards der Weltbank als Maßstab zu nehmen.

Contra: Starre Regeln gefährden die Wettbewerbsfähigkeit

Michael Rogowski ist Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

Mit der zweiten Hälfte der Wahlperiode ist eine Phase der Re-Regulierung angebrochen. Wo man hinsieht, werden Liberalisierungen zurückgedrängt, neue Auflagen und Abgaben eingeführt - sogar in der Hermes-Exportkreditversicherung. Die Regulierungslust kommt hier vor allem von den Grünen. Ginge es nach ihnen, würden Hermes-Deckungen für Exporte in Zukunft starr an unsere deutschen Umwelt- und Sozialstandards geknüpft. Soll sich etwa die ganze Welt mal wieder nach deutschen Vorbildern richten? Sie wird es nicht tun. Die Industrie ist nicht gegen Umwelt- und Sozialstandards bei der Entscheidung, ob Exporte eine Hermes-Deckung bekommen. Die Umweltverträglichkeit unserer Produkte ist hoch, und wir haben kein Interesse daran, minderwertige Produkte zu exportieren. Wir wehren uns aber dagegen, dass unser Engagement im Ausland starr reglementiert wird. Zum einen aus Prinzip, weil man so den verschiedenen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten nicht gerecht werden kann. Zum anderen, weil es geschäftsschädigend ist, wenn das im nationalen Alleingang geschieht. Dann ist unsere Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Keiner kann das wollen. Auch nicht die Grünen.

Im Zentrum der Debatte steht der im Wirtschaftsministerium erarbeitete Umweltleitfaden für Hermes-Deckungen. Für die Ambitionen der Grünen ist er eine Zumutung, für die Industrie gerade noch akzeptabel. Er schreibt Schwellenwerte zu Exportvolumen und Lieferanteil an einem Gesamtprojekt fest, bei deren Überschreiten jeder Hermes-Antrag einer verstärkten Umweltprüfung unterzogen wird. Derzeit sieht es so aus, als würden die Schwellenwerte so niedrig gesetzt, dass die Mehrheit der Anträge unter ein Umweltscreening fallen wird. Was wollen die Grünen denn noch? Zum anderen ist vorgesehen, dass der Umweltstandard sich am Niveau des Bestellerlandes orientieren soll, im Einzelfall auch an den Standards anderer Exportkreditversicherer und Entwicklungsfinanzierer. Aber - und das ist für uns wichtig - auch in Zukunft werden die Deckungsanträge von Hermes einzelfall- und projektbezogen geprüft.

Wir begrüßen das. Standards dürfen nicht abstrakt festgelegt werden - jedes Exportgeschäft ist anders. Wer eine Turbine liefert, kann nicht für ein komplettes Kraftwerk haften. Natürlich müssen Exporte und Projekte, die unter Umwelt- oder Sozialgesichtspunkten problematisch sind, von Hermes gemeinsam mit den Exporteuren nachgebessert werden. Schwarze Schafe gibt es immer - sie können nicht Maßstab genereller Regulierung sein. Richtig ist aber auch, dass umstrittene Großprojekte der Öffentlichkeit besser vermittelt werden müssen. Viele Diskussionen könnten so versachlicht und abgekürzt werden. Hier hat die Wirtschaft eine echte Aufgabe. Die Politik muss dafür sorgen, dass Hermes ein sicheres Instrument der Exportförderung bleibt.

Angelika Köster-Lossack sitzt für B&uuml

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