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Düstere Aussichten. Prokon hat das Anlegergeld unter anderem angeblich in 54 Windparks investiert. Kritiker bezweifeln, dass diese so hohe Renditen abwerfen, wie Prokon seinen Anlegern regelmäßig auszahlen muss.

© picture alliance / dpa

Probleme mit Genussrechten: Windkraftfinanzierer Prokon vertröstet seine Anleger

Das norddeutsche Unternehmen Prokon wirbt seit Jahren offensiv mit Postwurfsendungen und in TV-Spots um Privatanleger. Doch nun wollen offenbar viele Inhaber ihre Prokon-Genussrechte zurückgeben. Die Firma bekommt ein Problem.

Berlin - Seit Mittwoch kommt die Berlinerin Carola Schmidtke* nicht mehr zur Ruhe. Da hatte sie erstmals in der Zentrale des Windparkfinanzierers Prokon im schleswig-holsteinischen Itzehoe angerufen. Sie wollte wissen, wie sie die Auszahlung ihrer Genussscheine beantragt. Gut 100 000 Euro hatten sie und ihr Vater vor etwa zehn Jahren bei Prokon investiert – und dafür auch jedes Jahr eine Rendite in Höhe von rund sieben Prozent ausgezahlt bekommen. Jetzt aber muss der schwerkranke Vater ins Pflegeheim, die Familie braucht die Einlage zurück. Doch das ist offenbar nicht so leicht, wie Carola Schmidtke dachte.

In den Geschäftsbedingungen steht zwar, dass sie ihre Einlagen nach einer Frist von vier Wochen zum Monatsende ausgezahlt bekommen kann. Nach diversen Versuchen, bekam sie in der Zentrale einen angeblichen Abteilungsleiter ans Telefon. Der sagte, eine Auszahlung sei derzeit nicht möglich. Schmidtke solle vielmehr prüfen, noch mehr Geld nachzuschießen. Der Prokon-Mann erklärte ihr, dass derzeit recht viele Genussrechteinhaber eine Auszahlung beantragt hätten und dass das Unternehmen bis zum 15. Januar, also bis kommenden Mittwoch, rund 35 Millionen Euro benötige. Andernfalls müsse man einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung stellen.

Schmidtke kündigte per Fax und ging am Donnerstag auch noch persönlich zu einem kleinen Prokon-Beratungsbüro in der Leibnizstraße in Charlottenburg. Dort ließ sie sich den Eingang ihres Auszahlungsantrages quittieren – und erhielt die gleiche Auskunft: Sie solle sich mit der Auszahlung gedulden, Prokon brauche 35 Millionen Euro.

Ob Prokon tatsächlich fast zahlungsunfähig ist und die knapp 75 000 Genussrechteinhaber damit um einen Teil ihrer insgesamt 1,38 Milliarden Euro bangen müssen, ließ sich bis Freitagabend nicht verifizieren. Es ist dem Tagesspiegel trotz einem Dutzend Anrufversuchen und einem per Fax eingereichten Fragenkatalog nicht gelungen, ein Mitglied der Geschäftsführung oder überhaupt einen Mitarbeiter zu erreichen. Die Firma teilt im Internet mit, dass es derzeit nicht möglich sei, Anrufe sofort entgegenzunehmen. Zudem habe man entschieden, „nicht mehr mit den Medien zusammenzuarbeiten“. Die Firma begründet dies mit sieben Jahren negativer Berichterstattung und einer aktuellen „Hetzkampagne“.

Prokon-Chef schreibt kündigungswilligen Anlegern Briefe

Auch der Tagesspiegel hatte mehrfach über das fragwürdige Geschäftsmodell von Prokon berichtet. Ende November warnte die Stiftung Warentest, Prokon habe „Riesenverluste“ angehäuft, was Folgen für die Anleger habe. Ende Dezember legte Prokon zudem vorläufige Geschäftszahlen für 2012 vor: Demnach hat die Prokon Gruppe in dem Jahr 171 Millionen Euro Verlust gemacht, die Prokon Regenerative Energien GmbH rund 129 Millionen.

Es kursieren verschiedene aktuelle Schreiben, in denen Prokon-Gründer Carsten Rodbertus kündigungswillige Genussscheininhaber persönlich auffordert, Prokon nicht das Kapital zu entziehen. „Schlimmstenfalls kommt es zur selbsterfüllenden Prophezeiung: Wir werden gezwungen sein, unsere Windparks und anderes Anlagevermögen zu verkaufen, anstatt weitere Projekte zu realisieren“, heißt es in einem Schreiben. Dann hätten „Finanzlobby und Medien ihr Ziel erreicht“, schrieb er einem Anleger. Der Brief liegt der Redaktion vor.

Der Tübinger Rechtsanwalt Heiz Steinhübel befasst sich seit zehn Jahren mit Prokon und registriert „seit zwei bis drei Wochen deutlich mehr Anfragen als bisher“. Er halte die Anlageform Genussrecht nicht per se für schlecht. „Früher galt dies als probates Instrument der Mittelstandsfinanzierung. In den vergangenen Jahren hat sich dieses Konstrukt aber als anfällig für Missbrauch erwiesen.“ Auch bei Prokon werde schon seit längerer Zeit der Verdacht eines Schneeballsystems geäußert. Von einem derartigen System sei immer dann die Rede, wenn ein Unternehmen die Renditen der Altanleger aus den Einlagen von Neuanlegern finanziert.

Ein Genussschein ist eine Zwitteranlageform zwischen Aktie und Anleihe. Der Besitzer erwirbt damit Rechte am Reingewinn einer Gesellschaft. Einfluss auf Entscheidungen der Geschäftsführung hat er nicht. Die Rendite ist oft recht hoch, bei einer Insolvenz oder einer Liquidation erhält der Genussrechteinhaber seine Einlage aber erst voll oder in Teilen zurück, nachdem alle anderen Gläubiger, etwa Banken, bedient worden sind. Der Totalverlust der Einlage ist möglich.

Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger in München sagt, eine Insolvenz müsse nicht das Ende für die Gesellschaft sein. Aber komme es zur Abwicklung, dürften die Ansprüche jener Inhaber vorrangig bedient werden, die ihre Genussrechte bereits gekündigt haben. Die anderen dürften 20 bis 50 Prozent ihrer Einlage abschreiben, schätzt er

*Name geändert

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