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Wirtschaft: Produktpiraten auf dem Vormarsch

MÜNCHEN (tmh).Fälscher von Markenware sind verstärkt auf dem Weg zur organisierten Kriminalität.

MÜNCHEN (tmh).Fälscher von Markenware sind verstärkt auf dem Weg zur organisierten Kriminalität.Dieses Urteil hat der Vorsitzende der Vereinigung zur Bekämpfung von Produktpiraterie (VBP), Volker Spitz, vor Journalisten in München gefällt.Internationale Fälscherbanden würden sich neben ihrem traditionellen Betätigungsfeld Textilien immer mehr in Bereiche wie Pharmazie und Kfz-Ersatzteile vorwagen.

Zum "Hit der Saison" scheine sich ein Viagra-Plagiat zu entwickeln, das auf polnischen Märkten zum Bruchteil des normalen Preises angeboten wird, aber nur aus gefärbtem Traubenzucker besteht.Wer hierzulande in Apotheken seine Arzneien kauft, müsse aber nicht mit wirkungslosen Fälschungen rechnen, beruhigte der Rechtsanwalt.Ein Problem sei jedoch die Bezugsquelle Internet.Über diesen Weg seien auch in Deutschland schon gefälschte Medikamente aufgetaucht.

Mit gefälschten Autoersatzteilen setzen die Fälscher weltweit schon neun Mrd.DM um, ergänzte ein Sprecher der Ford AG, Köln.Wegen laxer Strafverfolgung sei auch hier "schnelles Geld" möglich.Sogar Formel 1-Weltmeister Mika Häkkinen sei bereits einem Plagiat zum Opfer gefallen und bei einem Rennen angeblich deswegen ausgeschieden.Bis in den Fachhandel seien die Fälscher mit ihren qualitativ minderwertigen Imitaten jedoch noch nicht vorgedrungen.

Insgesamt sei statistisch jeder zwölfte Artikel im Handel eine Fälschung, rechnete Spitz vor.Das Geschäft mit Plagiaten habe laut Internationaler Handelskammer einen Anteil von zehn Prozent am gesamten Welthandelsvolumen.Verantwortlich für den Boom der Fälscher seien deren "enorme Gewinnspannen".Ihr Geschäft sei "so lukrativ wie der Handel mit Drogen" aber in puncto Strafverfolgung weit ungefährlicher.Die deutsche Wirtschaft schätze den Verlust von heimischen Arbeitsplätzen durch Markenfälscher auf jährlich 70 000 Stellen und ihre Umsatzdefizite auf mehrere Milliarden DM, sagte Spitz.Während große Konzerne das noch verkraften könnten, stünden kleinere Firmen schnell vor dem Ruin, weil sie auf hohen Entwicklungskosten und Marketingausgaben sitzen blieben.Die Fälscher würden mittlerweile sehr schnell auf neue Trends reagieren und die Marke wechseln.So werde derzeit die junge Kultmarke "Fishbone" ernsthaft bedroht.

Die Hochburgen der Produktpiraten lägen derzeit in der Türkei, Polen und der Tschechischen Republik, sagte Spitz.Vor allem in der Tschechien entstünden ganze Einkaufszentren mit gefälschter Ware, zu denen von Deutschland aus Einkaufsfahrten per Bus angeboten würden.Dort habe die VBP ihren Kampf gegen die von vietnamesischer Mafia beherrschten Fälscher wegen fehlender Unterstützung durch Behörden einstellen müssen.Von Textilien über Spielwaren bis zu Medikamenten werde dort so gut wie alles illegal nachgemacht.

"Das einzige, was wir an der Grenze noch nicht hatten, sind geklonte Tiere," bestätigte der Zollexperte der Oberfinanzdierektion München, Klaus Hoffmeister.Auch er sprach von einem vehement zunehmenden Fälscherproblem.Schuld daran hätten auch heimische Richter und Staatsanwälte, die Markenfälschung oft wie ein Kavaliersdelikt behandeln und sehr milde Strafen verhängen würden.Spitz forderte die Europäische Union auf, auf Fälscherländer politischen Druck auszuüben, um Voraussetzungen für ein gesetzliches Vorgehen gegen Markenpiraten zu schaffen.Vor allem in der Türkei habe sich die Verfolgungspraxis allerdings bereits verbessert und liege mittlerweile zum Teil über dem deutschen Niveau.Um echte Erfolge zu erzielen, müsse sich jedoch auch das Verhalten von Käufern ändern, die die mit Dumpinglöhnen oder ohne Umweltschutzauflagen hergestellte Plagiate bedenkenlos einkaufen.

In Deutschland ist der Erwerb und Besitz von gefälschter Markenware für den eigenen Bedarf nicht strafbar.Die Europäische Union berät derzeit ein Gesetz gegen Produktpiraterie, das nach Einschätzung der Vereinigung an dem Erfolg der Produktpiraten aber nichts ändern werde.

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