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Nach wie vor beliebt. Der Ruf der Promotion hat durch die zahlreichen Plagiatsfälle kaum gelitten.

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Promotion: Ein Dr. für die Karriere

Die Plagiatsaffären der letzten Jahre haben nichts daran geändert: Der Doktortitel ist von Arbeitgebern nach wie vor gern gesehen

Viereinhalb Jahre hat Miriam Keller* als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität Berlin (TU) zu reaktiven Siliciumverbindungen geforscht. Jetzt hat sie es endlich geschafft. Seit einer Woche hat sie ihren Doktor in Chemie. „Dass ich promovieren möchte, war mir schon zu Beginn meines Studiums klar“, sagt sie. Die meisten ihrer Kommilitonen haben das ähnlich gesehen. Für viele Unternehmen, die Chemiker einstellen, ist die Promotion ein wichtiges Auswahlkriterium. Somit entscheiden sich laut der Gesellschaft Deutscher Chemiker 90 Prozent der Absolventen des Faches für eine Promotion.

Promovieren ist in Deutschland auch in anderen Fächern nach wie vor beliebt. 25 600 mal wurde der Doktortitel im Jahr 2010 verliehen, kann man im Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2013 nachlesen. Fast jede dritte Promotion wurde in Mathematik oder in den Naturwissenschaften geschrieben. Damit haben diese Fächer inzwischen die Humanmedizin überholt, aus der in den Vorjahren die meisten Doktoren hervorgingen.

Die Promotionsfreudigkeit ist ungedämpft

Auch die zahlreichen Plagiatsaffären, die immer wieder an die Öffentlichkeit gelangen, vom Fall des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg über den entzogenen Doktortitel der Ex-Bundesforschungsministerin Annette Schavan bis zu den aktuellen Plagiatsfällen in Medizin-Doktorarbeiten aus Münster – sie haben die Promotionsfreudigkeit der Deutschen nicht gedämpft: Auch 2013 blieb die Zahl der Promovierenden laut dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Bundestag stabil.

„Offensichtlich ist die Promotion auch nach den Plagiatsaffären noch sehr attraktiv, sonst würden das nicht so viele Menschen in Erwägung ziehen“, sagt Matthias Neis, Bildungsexperte bei der Gewerkschaft Verdi. Nach wie vor sei der Doktortitel in den Naturwissenschaften fast so etwas wie ein erweiterter Ausbildungsabschluss. Neis selbst schreibt neben seinem Vollzeitjob an einer Doktorarbeit in Soziologie, sofern es die Zeit zulässt. Sein Thema sind die Arbeitsbedingungen junger Wissenschaftler.

Die meisten, mit denen er für seine Arbeit gesprochen hat, schielen weniger auf den Titel. Sie sind vielmehr so begeistert von ihrem Thema, dass sie unbedingt intensiv daran forschen möchten. Diese Motivation sei so stark, dass die Wissenschaftler die im Hochschulbetrieb üblichen prekäre Arbeitsverhältnisse in Kauf nehmen. „Befristete Verträge sind die Regel, auf halben Stellen wird Vollzeit ohne entsprechende Entlohnung gearbeitet“, sagt Neis.

Doch ist die Promotion tatsächlich auch heute noch ein Karrierekatalysator? „Für einige Positionen, sei es als Hochschuldozent, Museumsdirektor oder eine Position im gehobenen Management eines größeren Unternehmens, ist die Promotion überhaupt erst die Eintrittskarte“, sagt Bildungsexperte Neis.

Nur fünf von hundert Absolventen promovieren

„Der Doktortitel ist für viele Personalverantwortliche immer noch ein Beleg für eine außerordentliche Leistung eines Bewerbers, denn es promovieren letztlich nur fünf Prozent der Uniabsolventen“, sagt Sörge Drosten, Geschäftsführer von Kienbaum Executive Consultants International und selbst promovierter Psychologe. „Der Bewerber belegt damit, dass er sich über längere Zeit intensiv mit einem Thema befasst hat und in der Lage ist, analytisch zu arbeiten.“ In der Betriebswirtschaft, aber auch in den Ingenieurwissenschaften seien anwendungsorientierte Themen, die eine Relevanz für den Betrieb haben, besonders gern gesehen.

Vertrauensverlust. Karl-Theodor zu Guttenberg gehört zu den Prominenten, die ihren Titel zurückgeben mussten.
Vertrauensverlust. Karl-Theodor zu Guttenberg gehört zu den Prominenten, die ihren Titel zurückgeben mussten.

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„Für uns zählt bei der Einstellung eines Kandidaten das gesamte Skillset: Potenzial, Talent und Karriereweg sind entscheidend“, sagt Marcus K. Reif, Leiter Recruiting und Employer Branding der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Ein Doktortitel verbessere nicht pauschal die Chancen auf einen Job.

„Wir schauen genau hin, wie und in welchem Zeitrahmen eine Doktorarbeit entstanden ist, ob als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule, bei einem Wirtschaftsunternehmen oder parallel zum Job“, sagt Marcus K. Reif. Dabei gehe es weniger darum, Plagiate zu entlarven als vielmehr die Bedeutung des Titels für den ausgeschriebenen Job auszumachen.

Der Titel bringe gegebenenfalls ein besseres Einstiegsgehalt mit sich. „Eine Promotion kann durchaus als relevante Berufserfahrung angesehen werden, was sich im Vergleich mit einem Absolventen mit Bachelor oder Master dann auch auf den Lohn auswirkt“, sagt Reif.

Allerdings ist den Doktoranden zu diesem Zeitpunkt schon jede Menge Geld entgangen, gibt Verdi-Experte Neis zu bedenken. Denn in den drei bis fünf Jahren, die sie im Durchschnitt an ihrer Arbeit schreiben, wurden sie meistens deutlich schlechter als andere junge Akademiker in der Wirtschaft bezahlt. „Diese Gehaltseinbußen wieder wett zu machen, dauert viele Jahre.“ Erst auf die gesamte Berufslaufbahn hin gerechnet verdiene man mit einem Doktortitel mehr als ohne.

Abbrecher stehen schlecht da

Sörge Drosten findet: „Eine Promotion sollte man nicht aus finanziellen Interessen, sondern nur aus Spaß an der Forschung machen.“ Wer einmal mit einer Doktorarbeit begonnen habe, sollte auch dabei bleiben. Denn ein Abbrecher steht unter Umständen schlechter da als jemand, der gleich nach dem Uni-Abschluss ins Arbeitsleben eingestiegen ist.

Dennoch brechen laut einer Studie des Instituts für Hochschulforschung (HIS) etwa 17 Prozent der Doktoranden ihr Forschungsprojekt ab. Die meisten nennen eine zu hohe Arbeitsbelastung im Job als Grund, gefolgt von einer schlechten Betreuung.

Auch Miriam Keller kennt Durststrecken während ihrer Promotion. „Was mir geholfen hat, war der Austausch in der Gruppe“, sagt sie. „Wir waren fast 30 Mitarbeiter, sodass immer jemand für fachliche Diskussionen zur Verfügung stand. Insbesondere das Know-how der zahlreichen Postdocs bei kniffligen Fragen war eine Hilfe.“ So konnte Miriam Keller ihre Arbeit kurz nach ihrem 30. Geburtstag abschließen. Jetzt hofft sie, möglichst in Berlin einen Job in der Forschung und Entwicklung eines Unternehmens zu finden. Höchst wahrscheinlich wird sie dort mit reaktiven Siliciumverbindungen, dem Thema ihrer Promotion, nicht mehr viel zu tun haben. Allein der Titel zählt.

* Name von der Redaktion geändert

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