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Anlageberatung kostet. Banken kassieren meist Provisionen. Umsatzunabhängige Honorare sind eine Alternative.

© Mike Wolff, TSP

Update

Provisionen: EU-Parlamentarier stärken Banken den Rücken

Eine Richtlinie aus Brüssel sollte der durch Provisionen manipulierten Beratung von Banken ein Ende bereiten. Der erste Anlauf ist gescheitert.

Verkäufer von Finanzprodukten können aufatmen. Im letzten Moment haben die EU-Parlamentarier ihre Forderung nach einem Verbot von Provisionen für die Vermittlung von Geldanlagen fallengelassen. Sozialdemokraten und Konservative setzten durch, dass stattdessen eine umfassende Offenlegung der Provisionen ausreichen soll. Sie erhielten für ihren Antrag am Mittwochabend im zuständigen Ausschuss für Währung und Wirtschaft die nötige Zustimmung und hebelten damit die vor allem von den Grünen erfochtene Verschärfung wieder aus.

Die deutschen Banken und Sparkassen reagierten erleichtert. „Dieser Beschluss liegt im Interesse der Mehrheit der Anleger in Deutschland, insbesondere solcher mit einem niedrigen oder mittleren Vermögen, für die sich eine Honorarberatung angesichts geringer Anlagebeträge häufig nicht lohnt“, sagte der Sprecher der Deutschen Kreditwirtschaft, Steffen Steudel, am Donnerstag dem Tagesspiegel. „Er ermöglicht es den deutschen Banken und Sparkassen, auch zukünftig allen Kunden auch in der Fläche eine Anlageberatung anbieten zu können.“ Dagegen wollen die Grünen weiter für ein Provisionsverbot in der geplanten Richtlinie Mifid II kämpfen. „Wir werden auf dem Weg zum Plenum versuchen, die Linie zu korrigieren“, sagte der Europaabgeordnete Sven Giegold der Zeitung. „Das Ergebnis ist für den Verbraucherschutz auf dem Finanzmarkt eine Katastrophe.“

Eigentlich hatten sich die Fraktionen auf ein Provisionsverbot verständigt. Dass sie davon abweichen und in letzter Minute Änderungsanträge einbringen, ist ungewöhnlich. Das fast 400-seitige Dokument soll im Oktober vom Gesamtparlament abgesegnet und dann mit dem Ministerrat beraten werden.

Mit der neuen Richtlinie aus Brüssel wollten Europaparlamentarier die deutsche Anlageberatung revolutionieren. Banken sollten gezwungen werden, die Provisionen, die sie für den Verkauf von Finanzprodukten bekommen, an die Kunden weiterzureichen. „Das wäre das Ende der durch Provisionen manipulierten Beratung“, sagte Giegold. Der Grüne sieht sich in seltener Allianz mit dem CSU-Abgeordneten Markus Ferber. „Die Produkte sollen für den Kunden da sein und nicht für den Vertrieb“, meint auch Ferber, in Sachen Mifid (Markets in Financial Instruments Directive) Berichterstatter des Europäischen Parlaments. „Wenn die Banken ihre Provisionen durchreichen müssen, führt das zu Produkten, die den Anlegern einen Mehrwert bieten“, hofft Ferber.

Bisher ist das nämlich nicht immer der Fall. Studien schätzen den Schaden, der deutschen Anlegern durch Falschberatung der Banken entsteht, auf 20 bis 30 Milliarden Euro im Jahr. Auch in der jüngsten Untersuchung der Stiftung Warentest erhielten die Berater ein vernichtendes Urteil. „Nur drei Institute waren befriedigend, der Rest ausreichend oder mangelhaft“, berichtet Testerin Stephanie Pallasch.

Ein Problem sind die Provisionen, die die Geldhäuser von Fondsgesellschaften oder Wertpapier-Emittenten bekommen. „Das führt zu Interessenkonflikten“, warnt Manfred Westphal, Bankexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Die Berater würden von ihren Vorgesetzten angehalten, möglichst provisionsträchtige Papiere zu empfehlen. „Bankberater stehen nicht auf der Seite des Kunden“, meint auch Sven Giegold.

Die neue Richtlinie sollte das ändern. Doch die Widerstände sind groß, nicht nur im Europaparlament. „Die Mitgliedsstaaten sind noch sehr zurückhaltend“, sagt Ferber. Auch Deutschland.

Statt die provisionsbasierte Beratung abzuschaffen, treten die Koalitionsfraktionen für Wahlfreiheit an und dürften damit auch die Bundesregierung hinter sich wissen. Als Alternative und Ergänzung zur bisherigen Bankberatung wollen sie die unabhängige Honorarberatung stärken. Das Projekt lag fast ein Jahr lang auf Eis. Auf Drängen der Finanzpolitiker von Union und FDP haben sich Finanz-, Verbraucher und Wirtschaftsministerium nun auf die Grundzüge für ein Honorarberatungsgesetz verständigt. Das Eckpunktepapier, das dem Tagesspiegel vorliegt, sieht vor, dass Anlageberater, die vom Kunden ein Honorar bekommen, nicht nebenher noch eine provisionsgestützte Beratung anbieten dürfen. Allerdings sollen sie die von ihnen empfohlenen Produkte vermitteln dürfen. Zudem soll sich – anders als heute – nicht mehr jeder Honorarberater nennen dürfen, der Begriff soll geschützt werden. Neben einer Qualifikation sollen die Berater zudem verpflichtet werden, eine Sicherung zu bieten, um mögliche Schadensersatzansprüche der Anleger wegen Falschberatung zu bedienen. Ein Gesetzentwurf soll im November das Kabinett passieren, heißt es im Finanzministerium. Das Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden, kündigte der Berichterstatter der Union, Ralph Brinkhaus, an.

„Verbraucher, die sich in finanziellen Angelegenheiten unabhängig beraten lassen wollen, benötigen verlässliche Dienstleister“, sagte Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU). „Mit einer gesetzlichen Regelung zur Honorarberatung schaffen wir den Einstieg in eine Alternativkultur der Bankberatung.“ Honorarberatung könne eine „wertvolle Ergänzung zur Provisionsberatung“ sein, meint auch der verbraucherpolitische Sprecher der FDP, Erik Schweickert.

Bisher führt die Beratung gegen Honorar aber noch ein Schattendasein. Bei der Comdirect-Bank haben sich erst 2000 Kunden dafür entschieden – von 1,6 Millionen. Die Berliner Quirin-Bank, die seit 2006 ausschließlich auf Honorarbasis berät, kommt gerade einmal auf 8500 – meist vermögende – Kunden. „In Deutschland wird die Honorarberatung nicht so gut angenommen“, weiß Tanja Beller vom Bankenverband. Vor allem bei weniger vermögenden Bevölkerungsschichten gebe es eine geringe Nachfrage nach dieser Variante, meint auch Steffen Steudel, Sprecher der Deutschen Kreditwirtschaft. Dabei würde sich auch für kleine Sparer eine Honorarberatung rechnen, glaubt Karl Matthäus Schmidt, Chef der Quirin-Bank. 150 Euro in der Stunde nimmt seine Bank für die Beratung und liegt damit im Bereich des Üblichen. Beim Provisionsmodell komme man nicht günstiger davon. „Wenn Sie dort für 10 000 Euro einen Fonds kaufen und drei bis fünf Prozent Ausgabeaufschlag bezahlen, sind Sie auch 300 bis 500 Euro los.“

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