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Jürgen Sengera

© dpa

Prozess: Ex-WestLB-Chef wegen Untreue vor Gericht

Vor dem Düsseldorfer Landgericht hat heute der Prozess gegen Jürgen Sengera begonnen. Die Anklage wirft dem ehemaligen Chef der Landesbank vor, die WestLB mit einem später geplatzten Kredit um mehrere hundert Millionen Euro geschädigt haben.

Zum Auftakt des Strafprozesses gegen Jürgen Sengera haben die Ankläger dem Manager "übersteigertes berufliches Erfolgsstreben" vorgeworfen. Er habe seine Sorgfaltspflichten verletzt und Risiken ignoriert, um mit zunächst glänzenden Zahlen Vorstandschef der damals fünftgrößten deutschen Bank zu werden, sagten die Staatsanwälte heute am Düsseldorfer Landgericht. Sengera habe sich damit der schweren Untreue schuldig gemacht, was mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden kann.

Der heute 64-Jährige soll für einen Kredit über 1,35 Milliarden Euro an den britischen TV-Geräte-Verleiher Boxclever verantwortlich sein. Das Geld war im Dezember 1999 aus Sicht der Ankläger ohne echte Risikoprüfung  vergeben worden. Dadurch sei ein Schaden von mindestens 427 Millionen Euro entstanden. Geschäftsidee von Boxclever war, in großem Stil in Großbritannien Elektrogeräte wie Fernseher zu vermieten - obwohl nahezu jeder Engländer Ende der 90er Jahre ein eigenes TV-Gerät besaß.

Die Verteidiger verlangten, das Verfahren sofort einzustellen. In der Anklage würden nur interne Vorstandsbeschlüsse betrachtet und wesentliche Teile der Kreditvergabe mit noch nachträglich erfolgten Prüfungen ausgeblendet. So seien eine Verpflichtungserklärung der WestLB und der Kreditvertrag nicht einmal ins Deutsche übersetzt worden. Dies sei auch ein Verstoß gegen das Gerichtsverfassungsgesetz.

"Über erhebliche Bedenken hinweggesetzt"

Die Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Brigitte Koppenhöfer will morgen über den Antrag der Verteidiger entscheiden. Ein Befangenheitsantrag der Verteidiger gegen die Kammer war zuvor von einer anderen Strafkammer des Gerichts als unbegründet zurückgewiesen worden. Die Verteidiger hatten argumentiert, neben den fehlenden Übersetzungen sei ihnen im Zwischenverfahren nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hatte sich Sengera über erhebliche Bedenken des zentralen Kreditmanagements der Bank, das eine Finanzierungslücke von 200 Millionen britischen Pfund ausgemacht hatte, hinweggesetzt. Boxclever, durch die Fusion zweier Verleiherfirmen entstanden, hatte schließlich Insolvenz anmelden müssen.

Sengera habe sich für den Kredit stark gemacht, obwohl der Markt für das Verleihgeschäft seit längerer Zeit schrumpfte und Filialschließungen geplant waren. Er habe der letztlich falschen Prognose vertraut, der Rückgang sei gestoppt, kritisierten die Staatsanwälte. Der Kreditentscheidung hätten Expertisen von Wirtschaftsprüfern zugrunde gelegen. Diese hätten aber lediglich Modellrechnungen des Kreditnehmers nachvollzogen, ohne die zugrundeliegenden Basiszahlen zu überprüfen - trotz der ungewöhnlichen Höhe des Kreditgeschäfts.  (jam/dpa)

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