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Ein Anhänger mit amerikanischer Flagge ist an einem VW-Schlüssel befestigt.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Prozess um Abgas-Skandal: US-Richter gewährt VW keine Atempause

Wegen eines Nazi-Vergleichs hoffte Volkswagen in den USA auf eine "Abkühlungsperiode". Dieser Wunsch erfüllt sich nicht.

Volkswagen ist im Abgas-Skandal mit einem Antrag auf Prozessverschiebung in den USA gescheitert. Nun muss sich die US-Tochter des Konzerns bereits in wenigen Tagen erstmals einem Rechtsstreit mit einem Dieselbesitzer vor Gericht stellen. Richter Bruce D. White sah keinen Grund, der Forderung der VW-Anwälte nach einer sechsmonatigen Pause stattzugeben. „Der Antrag ist abgelehnt“, sagte White am Dienstag bei einer Anhörung in Fairfax, Virginia. Der Richter drängte stattdessen darauf, den für den 26. Februar geplanten Auftakt des geschätzt dreiwöchigen Prozesses vorzubereiten.

VW hatte eine „Abkühlungsperiode“ gefordert, weil die Klägerseite das Unternehmen öffentlich mit „Hitler, dem Holocaust und anderem Horror“ in Verbindung gebracht habe. Klägeranwalt Michael Melkersen soll in einer Netflix-Dokumentation Assoziationen zwischen Experimenten mit Dieselabgasen im Auftrag von VW und der Vergasung von Juden im Zweiten Weltkrieg geweckt haben. Die VW-Anwälte sahen darin einen unlauteren Versuch, die Jury gegen den Konzern aufzubringen. Deshalb hatten sie gefordert, mehrere Prozesse Melkersens zu verschieben.

Trotz Sammelklage viel Streit mit einzelnen Kunden

In dem ersten davon fordert ein Diesel-Besitzer 725 000 Dollar von Volkswagens US-Tochter, weil ihm ein Jetta mit manipulierter Abgastechnik verkauft worden sei. „Wir werden beim Prozess beweisen, dass der Kläger keine Schäden erlitten hat und seine Forderungen nach Entschädigung extravagant und unberechtigt sind“, teilte VW nach der Gerichtsanhörung mit. Trotz der Milliarden-Vergleiche streitet das Unternehmen immer noch mit vielen US-Kunden, die aus der Sammelklage ausscherten und auf eigene Faust Entschädigung durchsetzen wollen.
Zwei weitere solche Prozesse Melkersens stehen in den folgenden Monaten an, insgesamt vertritt er mehr als 300 Kläger. Der Anwalt liefert sich schon lange heftige juristische Scharmützel mit VW, seiner Aussage nach versuchte der Konzern monatelang eine brisante Studie mit Affen-Experimenten vom Prozess auszuschließen. Durch einen Auftritt in der Netflix-Dokumentation „Dirty Money“ machte Melkersen die Tierversuche im Auftrag eines von VW, Daimler und BMW finanzierten Lobby-Vereins öffentlich. Dabei mussten 2014 zehn Affen vier Stunden lang Dieselabgase inhalieren.

VW sorgt sich um die Stimmung der Jury

Da VW - so geht es aus Gerichtsunterlagen hervor - zunächst vorgehabt habe, die Experimente an Menschen durchzuführen, ließ der Anwalt sich zu dem Nazi-Vergleich hinreißen. „Man kommt nicht umhin, [...] an eine andere Reihe von Ereignissen zu denken, bei der Individuen vergast wurden - von einer Person, die tatsächlich bei der Eröffnung des ersten Volkswagen-Werks anwesend war“, sagt Melkersen in der Dokumentation, bevor Adolf Hitler eingeblendet wird. Mit dem Argument, damit werde vor der Jury-Auswahl die Stimmung aufgeheizt, hatte VW daraufhin die Verschiebung gefordert - vergeblich.

Unbeeindruckt von den Argumenten VWs

„Wir leben in einem Nachrichtenzyklus, der sich fast wöchentlich ändert“, sagten VWs Anwälte auf die Frage von Richter White, was eine monatelange Pause bringen sollte. White überzeugte das nicht. „Die Juroren wissen nicht viel über diese Fälle“, sagte er und zeigte sich zuversichtlich, eine faire und unvoreingenommene Jury finden zu können. Melkersen witterte indes ein Manöver der Gegenseite, die angeblich schon seit Monaten versucht, seine Prozesse zu verhindern. „Es gibt immer irgendeinen Grund zu verschieben - wenn es nach VW geht“, sagte der Anwalt. „Sie tun dies, weil ich von allen Anwälten derjenige bin, der sie am stärksten unter Druck setzt.“ (dpa)

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