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Rettungsplan.

© dpa

P+S Werften insolvent: Tauziehen um die Ostseefähre „Berlin“

Spätestens mit dem jetzt eingereichten Insolvenzantrag bangen fast 2000 Angestellte der P+S-Werften in Rostock und Wolgast um ihre Jobs. Bei der Reederei Scandlines bangt man derweil um zwei Riesenfähren.

Eigentlich sollte die „Berlin“ schon seit dem Frühsommer durch die Ostsee pflügen – auf der beliebten Kurzstrecke zwischen Rostock und dem dänischen Gedser. Das fast 170 Meter lange Schiff fasst bis zu 1500 Personen und 480 Pkw, die Kanzlerin hatte sich zur Taufe angekündigt, die Reederei Scandlines eigens neues Personal für die „Berlin“ und ihr baugleiches Schwesterschiff „Copenhagen“ geschult. Doch die Fähren liegen noch unfertig am Kai der P+S Werften in Stralsund. Ob sie jemals ausgeliefert werden können, liegt nun nicht mehr in der Hand der Bootsbauer.

Am Mittwoch reichten die P+S Werften nach monatelangem Ringen mit Geldgebern den Insolvenzantrag beim Amtsgericht Stralsund ein. Dieses will im Verlauf des heutigen Donnerstages bekanntgeben, ob es dem Wunsch nach einer Insolvenz in Eigenverwaltung – einer neuen Option im Insolvenzrecht – nachkommt, oder ob es P+S klassisch unter die volle Kontrolle eines Insolvenzverwalters stellt. So oder so: 1771 Mitarbeiter und 116 Auszubildende bangen nun um ihre Jobs. Löhne und Gehälter sind nur bis Oktober über das Insolvenzgeld gesichert, das die Agentur für Arbeit zahlt.

Der Gang zum Amtsgericht kam nicht überraschend, nachdem der Bund und das Land Mecklenburg-Vorpommern vergangene Woche die Auszahlung einer weiteren Tranche ihres bewilligten Kredites über 152 Millionen Euro gestoppt hatten, da sich abzeichnete, dass die Werften es mit dem Geld wohl nicht einmal bis zum Jahresende schaffen würden. So zog Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) die Notbremse. Am Mittwoch bezeichnete er den Insolvenzantrag als „schweren Schlag“, äußerte aber zugleich Hoffnung auf einen Neustart.

Der Bau konventioneller Fähren lohnt sich kaum noch

Gemeinsam mit seinem Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) musste sich Sellering am Nachmittag im Schweriner Landtag scharfe Kritik von der Opposition anhören. Linke-Fraktionschef Helmut Holter etwa warf der Regierung vor, mit dem so kurzfristigen Stopp der Hilfen, die Insolvenz leichtfertig in Kauf genommen zu haben. „Wenn ich zu entscheiden gehabt hätte zwischen Millionen und Menschen, ich hätte mich für die Menschen entschieden“, sagte Holter. Mit dem Kredit hätte man Zeit gewonnen, ein Rettungskonzept zu entwickeln.

Ob Zeitmangel allerdings das größte Problem war, scheint fraglich. Das vor gut zwei Jahren aus dem Zusammenschluss der Peene-Werft und der Volkswerft Stralsund hervorgegangene Unternehmen kämpft mit dem allgemeinen Strukturwandel an deutschen Küsten, wo sich der Bau von konventionellen Fähren und Frachtschiffen kaum noch lohnt. Das können Werften in China und Südkorea schneller, billiger und nicht wirklich schlechter.

Arbeiteten hierzulande nach der Wende 1990 noch fast 63 000 Menschen im Schiffbau, waren es im vergangenen Jahr deutlich weniger als 20 000. Der Branchenumsatz liegt bei knapp fünf Milliarden Euro. Heute haben deutsche Werften noch einen Weltmarktanteil von rund einem Prozent. Vietnam und die Philippinen sind größere Schiffbaunationen.

Insofern wollte die Reederei Scandlines, die bei P+S die beiden Fähren für rund 230 Millionen Euro bestellt hatte, wohl auch ein Stück Nostalgie kaufen. Einige Berliner Skandinavien-Freunde würden es sicher schätzen, auf der in Deutschland zusammengenieteten „Berlin“ in den Urlaub zu dampfen. Doch bei der Reederei Scandlines ist man nach einem Chef-Wechsel und tiefen Umstrukturierungen in den letzten Monaten nicht mehr so romantisch gestimmt. Die Zahlen müssen stimmen. So äußerte Scandlines dieser Tage Zweifel, ob die Fähren tatsächlich der Bestellung entsprechen. Das war Teil des Preis-Pokers.

Am Mittwoch gab sich eine Scandlines-Sprecherin aber kompromissbereit. Man habe weiterhin großes Interesse, die Fähren möglichst schnell in Dienst zu stellen. Nachvollziehbar, wurde doch das Gerücht gestreut, P+S könne die Schiffe frühestens im Februar und März ausliefern. Seit gestern ist klar: Wenn sich kein Investor findet, ist P+S bis dahin wohl abgewickelt und die fast fertigen Fähren zwangsversteigert.

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