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Wirtschaft: Qual der Wahl

Schnelle Entscheidungen sind nicht zu erwarten. Schuld daran ist auch der französische Wahlkampf. Die Politik ist am Zug

Berlin/München - Zwei Monate vor der Präsidentenwahl wird die Airbus-Krise auch in Frankreich zum nationalen Thema. Nachdem sich die deutsche Seite im Ringen um das Sanierungsprogramm „Power 8“ offenbar vorläufig durchsetzen konnte, forderte Premierminister Dominique de Villepin am Montag, die Frage nun „auf höchster Ebene“ anzugehen. Er verkündete, dass rund 10 000 Stellen abgebaut werden müssten. Bei einem schon länger geplanten Treffen auf Schloss Meseberg nahe Berlin sollen Frankreichs Staatschef Jacques Chirac und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nun am Freitag versuchen, die festgefahrenen Verhandlungen in Gang zu bringen.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend, warnte vor einem „Wettlauf auf Kosten der Steuerzahler“. Deutschland könne im Kampf gegen den Verlust von Arbeitsplätzen zwar „nicht umhin, einen mit Frankreich vergleichbaren Staatseinfluss geltend zu machen, wenn es nicht unter die Räder kommen will“, sagte Wend dem Tagesspiegel. Zugleich müsse aber ein gegenseitiges „Hochschaukeln“ verhindert werden.

Merkel und Chirac müssten versuchen, den Streit um die Produktionsstandorte des Fluzeugbauers deeskalieren zu lassen. Auch sei an Frankreich zu appellieren, sich im Präsidentschaftswahlkampf diesbezüglich mit Emotionen zurückzuhalten. Auch in der Union fürchtet man Erschwernisse durch die am 22. April anstehenden Wahlen in Frankreich. Vor diesem Hintergrund und wegen der Tatsache, dass die Franzosen ohnehin „ein etwas anderes Verständnis von Industriepolitik haben als wir“, werde eine Einigung „mit Sicherheit nicht leichter“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Laurenz Meyer (CDU). Deutschland müsse nun „ruhig, aber bestimmt klarmachen, worum es geht, nämlich den Konzern nach wie vor im Gleichgewicht zwischen Deutschland und Frankreich zu halten“, sagte Meyer dieser Zeitung. „Deutsche Standorte dürfen nicht zu verlängerten Werkbänken eines französischen Konzerns werden.“ Tatsächlich beruhe der Erfolg der Airbus-Mutter EADS darauf, dass es sich um einen europäischen Konzern handele. Werde die gute Zusammenarbeit fortgesetzt, könne man in dieser Zukunftsindustrie sogar mehr Arbeitsplätze schaffen als bisher.

Die französischen Gewerkschaften fürchten indes, ins Hintertreffen zu geraten. Seit Wochen schon trommeln Arbeitnehmervertreter – flankiert von deutschen Politikern – im Nachbarland für den Erhalt ihrer Werke, möglichst vieler Stellen und einer auch künftig ausgewogenen Arbeitsaufteilung. Die französische Politik hat dagegen auffallend lange geschwiegen – bis der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS am Montag überraschend die für gestern geplante Bekanntgabe von „Power 8“ auf unbestimmte Zeit verschob. Hinter dem deutschen Widerstand steckt die Befürchtung, bei Zukunftstechnologien ins Abseits gedrängt zu werden.

Der französische Airbus-Chef Louis Gallois will solch nationales Proporzdenken aber eigentlich hinter sich lassen und die Produktion nach industriellen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten konzentrieren. Geht es nach Gallois, der zusammen mit dem Deutschen Thomas Enders auch an der Spitze von EADS steht, wird die neue A-350-Generation ab 2013 überwiegend in Toulouse produziert. Das Hauptargument: Das Langstreckenflugzeug wird als erster Airbus in großen Teilen aus Kunststoff gefertigt.

In Deutschland ist bislang nur das niedersächsische Werk Stade auf diesen Technologiewechsel vorbereitet. Die Airbus-Länder Frankreich und Spanien seien da viel weiter, sagte der Münchner Luftfahrtjournalist Peter Pletschacher dem Tagesspiegel. Die hiesigen Standorte hätten sich in den vergangenen Jahren technologisch kaum weiterentwickelt. „Das deutsche Management hat sehr viel verschlafen“, kritisierte der Luftfahrtexperte. Schon beim Bau des A-380 habe man sich zu sehr auf Details wie Kabinenausstattung und Lackierung konzentriert, anstatt neue Technologien weiterzuentwickeln.

Um an der zukunftsrelevanten Produktion dran zu bleiben, müssen die deutschen Werke nun den Zuschlag für wichtige Teile des A-350-Flugzeugrumpfes erhalten. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) versprach schon einmal finanzielle Hilfen, wenn Airbus an den Standorten in Niedersachsen investiert.

Nicole Huss[Juliane Schäuble], Rainer Wora

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