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Wirtschaft: Qualitätsprobleme in Aufsichtsräten

Studie zum Verhaltenskodex für Unternehmen zeigt erhebliche Defizite

Berlin - Zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten werden die Regeln für gute Unternehmensführung (Corporate Governance Kodex) zwar weitgehend akzeptiert. „Im Detail weist die Umsetzung aber zum Teil deutliche Defizite auf.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Alexander Bassen von der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik. Vor allem die umstrittene, individuelle Veröffentlichung der Vergütungen für Vorstände und Aufsichtsräte wird von den meisten Unternehmen ignoriert.

Alexander Bassen hat die Akzeptanz und Umsetzung aller 83 „Soll“- und „Kann“-Empfehlungen bei 96 börsennotierten Unternehmen untersucht. Seine Studie dürfte in dieser Woche in Berlin reges Interesse finden. Dort tagt die Konferenz Deutscher Corporate Governance Kodex unter der Leitung von Gerhard Cromme, Aufsichtsratschef bei Thyssen-Krupp. Crommes Kommission hat vor zwei Jahren den Kodex verabschiedet, dessen Ziel es ist, die Unternehmensführung zu verbessern und für Investoren transparent zu machen. Der Kodex ist freiwillig und ersetzt Gesetze und staatliche Verordnungen.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ist zwar zufrieden mit der Akzeptanz der freiwilligen Verhaltensrichtlinien durch die Wirtschaft. Beim Thema Vorstandsgehälter allerdings sieht auch die SPD-Politikerin erheblichen Verbesserungsbedarf. Zypries will nur noch diese Hauptversammlungs-Saison abwarten. Dann soll über ein Gesetz entschieden werden, das die Unternehmen zur Veröffentlichung von Managerbezügen zwingen würde.

Nach Meinung Bassens muss es „für angestellte Manager selbstverständlich werden, die Bezüge detailliert offen zu legen“. Ein Aktionär könne sonst „das Preis-Leistungs-Verhältnis des Managements nicht beurteilen“. Das oftmals zu hörende Argument „Schutz der Privatsphäre“ lässt der Wissenschaftler allenfalls für nicht börsennotierte Familienunternehmer gelten.

Kritik übt Bassen zudem an den Aktien-Optionsplänen für Manager. Viele Unternehmen nutzen solche Bezugsrechte für eigene Aktien als Anreiz für ihre Vorstände. „Doch die Funktionsweise und damit die finanziellen Wirkungen der Optionspläne sind oft nur schwer nachzuvollziehen“, sagt der Hamburger Wirtschaftsprofessor. Dieser Punkt wird auch sehr häufig von Aktionärsvereinigungen kritisiert.

In den Mittelpunkt der Diskussion um eine Weiterentwicklung des Kodex sind inzwischen die Aufsichtsräte gerückt. 1500 gibt es davon in Deutschland, teilweise mit bis zu 22 Mitgliedern. Für Bassen steht fest, dass es nicht genug qualifizierte Unternehmenskontrolleure gibt. „Über die Qualität der Aufsichtsräte müssen wir uns mehr Gedanken machen“, sagt er. Governance-Experten fordern deshalb mehr Internationalität und Altersgrenzen für die Mitglieder und vor allem kleinere Kontrollgremien. Auch die Frage, ob Vorstandsvorsitzende wie in Deutschland üblich automatisch nach Ablauf ihrer Managerlaufbahn in den Aufsichtsrat wechseln dürfen, ist heftig umstritten. Zu diesen Fragen gibt es noch keine Regeln im Kodex.

Auch das heiße Eisen Mitbestimmung hat noch keiner angefasst. Weder die Regierung noch die aus Wissenschaftlern, Managern und Aktionärsvertretern bestehende Cromme-Kommission. Bassen: „Dieser Konflikt blieb bislang ausgeklammert.“ Dabei stelle sich die Frage, ob der „Aufsichtsrat wirklich das richtige Gremium für die Interessen der Arbeitnehmer ist“, sagt Bassen. Nach deutschem Recht wird die Hälfte aller Aufsichtsräte mit Gewerkschaftern und Betriebsräten besetzt. Diese Regelung ist in anderen Ländern nahezu unbekannt und wird in Finanzmarktkreisen oft als Hürde für Auslandsinvestitionen in Deutschland gesehen.

Dieter Fockenbrock

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