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© Keystone Pressedienst

Quelle-Callcenter: Ein Luftschloss in Kreuzberg

Das Callcenter von Quelle in Berlin mit fast 700 Beschäftigten wird geschlossen. Das Ende war in Sicht. Die Stimmung ist am Boden.

Die rote Fassade des Quelle-Callcenters hebt sich ab vom restlichen Grau des Hinterhofs. Stabil und unerschütterlich sieht das Gebäude in Kreuzberg aus – ein schöner Schein. „Mitarbeiter, haltet die Grünflächen sauber“, steht auf Schildern, die in der Erde zwischen kahlen Büschen stecken. Im Eingang lacht eine Frau alle Hereinkommenden an, hübsch, strahlend weiße Zähne. Ihr Bild ist Teil des bunt bemalten Treppenhauses – dem Aufgang zum Callcenter des Versandhauses Quelle.

„Wir haben in einem Schloss gelebt“, sagt ein langjähriger Callcenter-Mitarbeiter. Er meint damit die Konditionen, die Atmosphäre, die Unternehmenskultur, die hier herrschten. Der Techniker hat gern für den Konzern gearbeitet, schon die Anfänge des Quelle-Callcenters hat er miterlebt. Überrascht hat das Aus hier niemanden mehr.

Inzwischen sind die Mitarbeiter zwar immer noch traurig, aber gefasst. So etwas wie Quelle gebe es nicht noch einmal, da gehe eine Ära zu Ende, sagen sie. Vor dem Eingang mit dem Bild der lachenden Frau treffen sich an diesem verregneten Novembertag einige zum Rauchen, sie starren wortlos vor sich hin. „Es war wie eine große Familie“, meint eine junge Frau mit langen braunen Haaren. Sie ist seit sieben Jahren in dem Unternehmen, hat ihre Ausbildung hier gemacht.

Bis Mitte oder Ende Dezember werden die fast 700 Mitarbeiter in der Zeughofstraße 1 noch unter der Quelle-Hotline erreichbar sein. Was dann passiert mit einem der modernsten Callcenter des Landes, steht noch nicht fest. Für Bewerbungen sind die Angestellten freigestellt, angeblich kommen demnächst einige Firmen, um sich Räume und Mitarbeiter anzusehen, heißt es. Vor kurzem sei eine interessierte Firma da gewesen, hätte sich die Räume angeschaut, erzählt ein Mitarbeiter. „Die haben über den Platz und die großen Tische gestaunt“, sagt der kräftige Mann, der seit zwei Jahren dabei ist. Die Firma hätte sich dann nach den Möglichkeiten für das Einbauen einer neuen Klimaanlage erkundigt – damit doppelt so viele Mitarbeiter in den Räumen genug Luft hätten.

Der Geschäftsleitung scheinen die Callcenter-Mitarbeiter wenig nachzutragen. Einer sieht sich und die Kollegen als Opfer der Finanzkrise. Was passiert nun mit denen, die nicht am Telefon saßen, fragt eine Frau, die Schultern hochgezogen, Hände in den Taschen, seit 19 Jahren im Konzern. Telefonisten bekämen eher einen Job als Teamleiter oder Trainer. Wie die anderen, die für eine Zigarettenpause das Treppenhaus runtertrotten, wirkt sie ohnmächtig in ihrer Gefasstheit. Die letzten sechs Monate hätten allen gezeigt, dass bald Schluss sein müsse. „Es war so schön. Aber Tote sind billiger“, sagt einer, drückt seine Zigarette aus und geht wieder hinauf. Saskia Weneit

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