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Wirtschaft: Rabatte für Frühaufsteher

Nur wer früh bucht und zu verkehrsschwachen Zeiten reist, profitiert von den neuen Preissystemen von Bahn, Lufthansa und Billigfliegern

Von Flora Wisdorff

und Carsten Brönstrup

Wir Passagiere sind unerzogen. Finden zumindest die Lufthansa und die Deutsche Bahn. Denn wir buchen nicht früh genug und fahren und fliegen zu selten um die Mittagszeit oder wochentags. Dann sind Züge und Flugzeuge nicht richtig voll, und die Unternehmen verdienen weniger Geld pro Flug oder Bahnfahrt. Das soll sich ändern: Jetzt sollen die Kunden dafür belohnt werden, wenn sie besonders früh buchen oder sich einen Tag frei nehmen, nur um schon Donnerstag zum Wochenendausflug aufzubrechen. Im Herbst gelten bei der Bahn und bei der Lufthansa solch neue Preissysteme – sie kopieren das System, was die Billigflieger in Deutschland eingeführt haben.

Die Deutsche BA war die erste Fluggesellschaft, die im Frühling auf innerdeutschen Strecken ein neues Preissystem eingeführt hat, als sie zum Billigflieger umgebaut wurde. Bucht man Wochen vorher, kann man das Glück haben, für 29 Euro pro Strecke – ohne Steuern und Gebühren – von Berlin nach München zu fliegen. Entscheidet man sich einen Tag vorher, kann der Flug mehrere Hundert Euro kosten. Die Billigflieger wollen mit ihren im Schnitt niedrigeren Preisen neue Passagiere anlocken. Sie sparen einerseits an Extras wie Essen oder Airmiles. Auch kostet sie der Verkauf der Tickets über das Internet weniger, genauso wie das Anfliegen von kleineren, günstigeren Flughäfen. Aber vor allem lasten sie mit ihrem Preissystem ihre Flugzeuge auch besser aus.

Diejenigen, die bisher mit dem Auto gefahren sind, nehmen in Kauf, früh zu buchen und dafür schneller und trotzdem billig am Ziel zu sein. Auch die anderen neuen Billigflieger, die bald in Deutschland abheben, funktionieren nach diesem Prinzip: Ob Germanwings (ab 27. Oktober), Hapag-Lloyd Express (ab Dezember) oder die neuen Billigflüge ins Ausland von Air Berlin: Wirklich billig reist nur der, der sich früh entscheidet.

Auch die Lufthansa passt sich der günstigen Konkurrenz an: ab November gilt das System bei der Kranich-Linie. Zehn Prozent der verfügbaren Sitze – also rund 150 000 Plätze – gibt es dann auf innerdeutschen Strecken zum Schleuderpreis von 98 Euro für Hin- und Rückflug alles inklusive – wenn man per Internet bucht, sogar für 88 Euro. Aber auch hier muss man früh buchen, wenn man noch einen Platz kriegen will.

Keine starren Tarifkonzepte mehr

„Eigentlich ist das ein klassischer Restplatzverkauf“, wiegelt Lufthansa-Sprecher Wolfgang Weber den Verdacht ab, dass die Lufthansa verzweifelt auf die Billigkonkurrenz reagiert. „So bekommen wir auch zu verkehrsschwachen Zeiten ausgelastete Flugzeuge.“ Allerdings ist klar, dass die Lufthansa mit ihrem neuen Preissystem auch auf die in immer harscher werdende Konkurrenz reagiert. Von deren Kunden will auch die Lufthansa welche ab haben. Weber kündigt an: „Starre Tarifkonzepte gibt es nicht mehr.“

Das hat sogar die Deutsche Bahn AG erkannt. Doch ihr neues Preissystem dürfen die Bahn-Manager erst nach der Bundestagswahl einführen – die Regierung fürchtete massiven Bürgerzorn angesichts der Neuerungen. Denn davon gibt es eine Menge. Die wichtigste: Wer spontan auf einen Zug aufspringen will, bekommt einen deutlich geringeren Rabatt als heute. Bekommen Bahn-Card-Besitzer heute auf jedes Zugticket 50 Prozent Nachlass, sind es in Zukunft nur noch 25 Prozent. Mehr sparen kann nur, wer seine Bahnfahrt einen, drei oder sieben Tage im Voraus plant und sich auf einen Zug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Tag festlegt. „Intelligent Bahnfahren“ nennt das Hans Koch, Marketingvorstand des Bahn-Personenverkehrs. „Wenn Du günstig fahren willst, lieber Kunde, musst du sieben Tage im Voraus buchen, tunlichst noch jemanden mitnehmen und eine Bahncard haben.“ Dann, so lockt der Staatskonzern, sei sogar ein Maximalrabatt von insgesamt 66 Prozent pro Person drin.

Die Bahn hofft so, Anschluss an die Wettbewerber Auto und Flugzeug zu bekommen. „Unser bisheriges Preissystem ist zu kompliziert und zu unflexibel“, sagt Bahn-Vorstand Koch. Und obendrein haben die Kunden keinen Anreiz, zu verkehrsarmen Zeiten zu reisen. Folge: Am Sonntagabend quellen die Züge auf den beliebten Routen über.

Vor allem Familien profitieren vom neuen System: Kinder unter 14 Jahren reisen gratis, wenn Eltern dabei sind. Und jeder „Mitfahrer“ reist zum Rabatt von 50 Prozent. „Eindeutige Gewinner sind die Familien“, sagt Holger Jansen von Pro Bahn. „Die Vielfahrer, die auf Spontanität angewiesen sind, sind die Verlierer.“ Jetzt müsse man abwarten, wie groß das Kontingent der billigen Plätze und die Endpreise sein werden. Die neuen Preise gibt die Bahn am 9. Oktober bekannt, ab dem 1. November kann man nach dem neuen System buchen. (Die Preisbeispiele in der Grafik beruhen auf Recherchen vom Freitag – die Preise können sich stündlich ändern. Die Bahnpreise sind zweite Klasse).

www.germanwings.de , www.fly-dba.de , www.lufthansa.de , www.bahn.de , www.hl-express.de

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