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© Keystone

Rabattschlacht: Rette sich, wer kann

Im Einzelhandel wird 2010 eine neue Rabattschlacht toben, glauben Experten. Doch nicht jeder Preis ist heiß.

Berlin - Ja, ist denn noch immer Weihnachten? Zwei Wochen nach den Festtagen reiben sich Verbraucher die Augen: Die Gabentische in Elektronikmärkten, Möbel- und Einrichtungshäusern oder in Baumärkten sind so voll wie vor dem Christfest. Lauthals wird verschenkt und rabattiert, was raus muss. Am buntesten treibt es – wie jedes Jahr im Januar – die Metro-Tochter Mediamarkt. Die aggressiv beworbene Aktion des Elektronikdiscounters „Jeder zehnte Einkauf für umsonst“ ging am Sonnabend nach einer Woche zu Ende. Tausende Kunden konnten seit dem 2. Januar einen Mediamarkt verlassen, ohne zu zahlen – vorausgesetzt, sie hatten eine bestimmte Endziffer auf dem Kassenbon erwischt.

Während andere Branchen langsam aus der Krise finden, rutscht der Handel 2010 wohl erst richtig hinein. Schon 2009 mussten die Einzelhändler den kräftigsten Umsatzrückgang seit sieben Jahren verkraften. 2010 könnte es noch schlimmer kommen. Denn die Branche mit ihren 2,6 Millionen Beschäftigten hängt vom Wohl und Wehe des Arbeitsmarktes ab. Dort droht nach Schätzungen dieses Jahr ein Anstieg um mindestens 500 000 Arbeitslose. Und auf einen Arbeitslosen kommen drei andere, die sich Sorgen um ihren Job machen, weiß die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Wer aber um seinen Arbeitsplatz bangt, kauft auch weniger und billiger ein. Ohnehin knausern die Deutschen beim Konsum: Die Sparquote lag 2009 mit knapp zwölf Prozent so hoch wie kaum sonst in Europa.

Schwache Nachfrage auf der einen Seite, schrumpfende Gewinnmargen auf der anderen. Die Verkaufsfläche des deutschen Einzelhandels hat sich seit 1980 kontinuierlich auf 122 Millionen Quadratmeter verdoppelt. Gleichzeitig stagnieren (oder fallen) die Erlöse. Die Einzelhändler, die zumindest auf ihre Kosten kommen wollen, stehen doppelt unter Druck. Wer noch kann, stürzt sich in die Preisschlacht, um bei den Konsumenten zu holen, was zu holen ist.

„2010 wird eine neue Dimension des Preiskampfes eingeläutet“, sagt Sebastian Deppe, Geschäftsführer der Münchener Handelsberatung BBE. Es werde unendlich viele Spielarten von echten und unechten Rabatten geben. „Aber am Ende kochen alle mit Wasser“, sagt der Handelsexperte. Weil die Händler wenig Luft bei den Gewinnspannen hätten, müssten sie betriebswirtschaftlich genau rechnen. „Vieles wird nur Preispsychologie sein.“ Tatsächlich tun sich bei den Preisen Spielräume nach unten auf, die es laut Statistik eigentlich gar nicht mehr geben dürfte. Während sich die Inflationsrate im vergangenen Jahr insgesamt bei niedrigen 0,4 Prozent einpendelte, rutschten die Preise für einzelne Produkte binnen zwölf Monaten ab: Fernsehgeräte waren Ende November (aktuellere Daten liegen noch nicht vor) gut 23 Prozent preiswerter als ein Jahr zuvor, PCs knapp 18 Prozent, Notebooks rund zwölf Prozent. Bei einzelnen Geräten ist der Preisverfall deutlich größer.

Kein Wunder also, dass sich viele Rabatte bei genauerer Betrachtung nicht als Schnäppchen, sondern als Mogelpackungen erweisen (siehe Kasten). Dabei überschreitet mancher Einzelhändler auch schon mal die Grenzen des Erlaubten. 20 000 Beschwerden gehen deshalb jedes Jahr bei der Bad Homburger Wettbewerbszentrale ein. Am häufigsten beanstandet werden Aktionen, bei denen Rabatte angeblich „auf alles“ gewährt werden – der Kunde dann aber mit zahlreichen Ausnahmen konfrontiert wird. „Ich glaube nicht, dass wir 2010 weniger zu tun haben werden“, sagt Peter Brammen, Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale. Der Preiskampf werde sich noch verschärfen, das Werben um die Gunst der Kunden lauter. „Nur, wenn es den Leuten besonders gut geht, läuft auch der Wettbewerb sauberer“, sagt Brammen. Damit aber ist in diesem Jahr nicht zu rechnen.

Seitdem es keinen offiziellen Schlussverkauf mehr gibt, darf das ganze Jahr über an den Preisen geschraubt werden. „In den Elektronik- oder Baumärkten und im Möbelhandel gibt es zwölf Monate lang Rabatt“, sagt eine Sprecherin der Berliner Verbraucherzentrale. Wer da echte von unechten Nachlässen unterscheiden wolle, „muss einen Preis das ganze Jahr über verfolgen“. Und häufig stoßen Verbraucher dabei auf Tricks und Täuschungen. Mehr als 2600 bundesweite Beschwerden zählte die Verbraucherzentrale NRW Ende 2009 auf ihrer Internetseite „Stopp den Lockvogel“ (www.lockvogel.vz-nrw.de). Statt das erhoffte Schnäppchen zu machen, bekommen viele Einkäufer zu hören: Leider schon ausverkauft! Von den insgesamt 330 Unternehmen, über die sich Kunden beschwert haben, fallen einige besonders negativ auf, vor allem die Discounter Plus, Lidl, Aldi, Real und Penny, der Internethändler Amazon und Mediamarkt.

Hinzu kommt, dass auch auf den deregulierten Märkten für Telekommunikation, Energie und Strom die Preise frei sind. Gut für die Verbraucher, kompliziert für die Wettbewerbshüter. „Die Verstöße werden immer komplexer“, sagt Peter Brammen von der Wettbewerbszentrale. „Diesen Spezialfällen muss man erst mal gewachsen sein.“

So werden sich die Experten 2010 zum Beispiel auch wieder mit Emissionswerten und CO2-Bilanzen beschäftigen müssen, wenn sie ein Auge auf den Wettbewerb im Autohandel werfen. Hier, da sind sich Branchenkenner einig, wird in den kommenden Monaten wohl die heftigste Rabattschlacht toben. Ende 2009 lag das durchschnittliche Rabattniveau für Neuwagen nach Berechnungen des Duisburger Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer bei 19 Prozent. „Tendenz im neuen Jahr: steigend“, sagt Dudenhöffer voraus. Bei einzelnen Modellen (Peugeot 308) waren zuletzt Nachlässe bis zu 33 Prozent möglich. Mit einer Antwort ihres Autohändlers werden sich Autokäufer jedenfalls 2010 nicht abspeisen lassen müssen: „Rabatt? Ist das nicht eine Stadt in Marokko.“

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