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Rabattschlachten: Pharmahandel findet kein Rezept

Ruinöse Rabattschlachten belasten das Geschäft. Hintergrund der anstehenden Schlachten ist ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs, das noch in diesem Jahr erwartet wird.

Frankfurt am Main - Die bevorstehende Neuordnung des deutschen Apothekenmarkts erschüttert den Pharmahandel. Viele Großhändler von Tabletten und Pillen stehen vor einem womöglich ruinösen Preiswettbewerb. Jetzt sollen neuartige „Gebühren“ zu Lasten der Apotheker den Trend umkehren. Doch die Chancen für eine Wende stehen schlecht.

„Die Branche läuft sehenden Auges in ihr Verderben. Der Konditionenwettbewerb ist ruinös“, beschreibt Thomas Trümper, Vorstandsvorsitzender der Andreae-Noris Zahn AG (Anzag) die Lage. Zur Hälfte des laufenden Geschäftsjahrs 2007/2008 war der Vorsteuergewinn des Frankfurter Unternehmens, das zu den fünf größten Pharmahändlern in Deutschland gehört, auf ein Fünftel des Vorjahreswerts gesunken.

Bei der Konkurrenz aus Stuttgart, der zur Haniel-Gruppe gehörenden Celesio AG mit ihrer Großhandelsfirma Gehe, sank der Gewinn vor Steuern im ersten Quartal 2008 um 19 Prozent. Ein Grund: „Unverantwortlich hohe Rabatte“, wie es im Quartalsbericht heißt. DerAktienkurs von Celesio hat unter der harten Auseinandersetzung im Pharmagroßhandel heftig gelitten, der Wert des Papiers hat sich seit Mitte 2007 beinahe halbiert.

Hintergrund der Rabattschlacht ist das noch in diesem Jahr zu erwartende Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs, welches das bisher geltende Fremd- und Mehrbesitzverbot von Apotheken aufheben dürfte. Um für diese Liberalisierung gewappnet zu sein, hatte sich die Celesio-Tochter Gehe die in den Niederlanden ansässige Internet-Apotheke Doc Morris gekauft und unter dieser Marke in Deutschland Franchise-Apotheken eröffnet. Ziel der Aktion war es, langfristig von den höheren Apothekenmargen direkt zu profitieren.

Doch hat der Doc-Morris-Kauf darüberhinaus den Konkurrenzkampf der Apotheken untereinander ganz neu entfacht. Auf dem überbesetzten deutschen Apothekenmarkt könnten im Zuge dieser Entwicklung bis zu 6000 der heute 21 500 Apotheken vor dem Aus stehen, schätzen Experten.

Zahlreiche Apotheker werteten Celesios Einstieg beim Internet-Rivalen Doc Morris denn auch als eine Art Kriegserklärung und schlugen zurück, indem sie Lieferverträge kündigten. Celesio, lange die Nummer zwei in Deutschland, versuchte daraufhin mit Rabatten, die abgewanderten Apotheken zurückzuholen. „Die haben Kunden mit äußerst günstigen Konditionen zurückgekauft“, heißt es bei Konkurrenten.

Nun versucht die Branche gegenzusteuern. Vor wenigen Wochen hat Deutschlands größter Pharmagroßhändler Phoenix den Apothekern in einem Brief angekündigt, dass er bei Lieferungen einen „Herstellerbezugsausgleich in Höhe von 0,5 Prozent“ in Rechnung stellen wolle. Gehe zieht jetzt nach.

Apotheker sehen darin den unpassenden Versuch, die vom Großhandel selbst ausgelöste Rabattschlacht unter Kontrolle zu bekommen. „Wenn der Großhandel Gebühren aufschlagen will, die es bisher nicht gab, ist das für uns inakzeptabel“, sagt Thomas Preis, Chef des Apothekenverbandes Nordrhein.

Beim Umsatz konnte der Großhandel 2007 mit plus vier Prozent auf 22,5 Milliarden Euro zulegen. Doch die Margen sind im Keller. Abgesehen vom Rabattwettbewerb leidet die Branche unter wachsender Konkurrenz der Pharmahersteller. Die beliefern immer häufiger Apotheken direkt – und teilen sich die Großhandelsmarge mit den Kunden. tel (HB)

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