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Wirtschaft: RAG-Chef unter Druck

Aufsichtsrat will Vorwürfe noch im Mai klären

Düsseldorf – Um die Zukunft des Essener Steinkohle- und Industriekonzerns RAG und seines Vorstandschefs Werner Müller ist ein beispielloser Machtkampf entbrannt. Der RAG-Großaktionär RWE wirft Müller vor, den Aufsichtsrat falsch oder nicht vollständig informiert zu haben. Auslöser des Streits ist eine Vereinbarung mit dem Luxemburger Stahlkonzern Arcelor Mittal. Müller habe, so der Vorwurf, Arcelor eigenmächtig eine Option auf den Erwerb des Versorgers Saar Ferngas eingeräumt, nachdem das Kartellamt Ende Februar den geplanten Verkauf an RWE verhindert hatte. Außerdem soll Müller ohne Zustimmung des Aufsichtsrats Arcelor eine Option auf langfristige Kokslieferungen sowie eine Beteiligung der Kokerei Prosper in Bottrop gewährt haben.

Der RAG-Aufsichtsratschef Wulf Bernotat, Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns Eon, nimmt die Vorwürfe ernst und hat eine große Anwaltskanzlei mit der Untersuchung des Falles beauftragt, heißt es aus Aufsichtsratskreisen. Sobald das Ergebnis vorliege, werde sich der RAG- Aufsichtsrat mit den Vorwürfen befassen. Eine Sondersitzung werde voraussichtlich noch im Mai stattfinden. Aktionäre der RAG sind Eon (39,2 Prozent), RWE (30,2), Thyssen-Krupp (20,6) und Arcelor Mittal (6,5 Prozent). 3,5 Prozent der Anteile hält die RAG selbst.

Müller hat die Anschuldigungen bereits in schriftlichen Stellungnahmen ausführlich zurückgewiesen. Doch der von RWE ausgeführte Angriff auf den RAG- Chef stellt den für das erste Halbjahr 2008 geplanten Börsengang der RAG infrage. Zudem spielt die Lage Müllers Gegnern in die Hände, vor allem dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU). Der Politiker plädiert für einen Einzelverkauf der profitablen RAG-Sparten Chemie (Degussa), Energie (Steag) und Immobilien, der einen höheren Erlös erwarten lässt. Ein Nebeneffekt: Bei einer Zerschlagung der RAG stiegen die Chancen von RWE, die Steag zu kaufen – zumindest für den unwahrscheinlichen Fall, dass das Kartellamt mitspielte. Schon jetzt liefert Steag 70 Prozent ihres Stroms an RWE. Zum anderen will Rüttgers aber Müller als Chef der geplanten Kohlestiftung verhindern. Deren Aufgabe soll es sein, den Erlös aus dem Börsengang der RAG zu verwalten, die Abwicklung des defizitären Steinkohlebergbaus bis zum Jahr 2018 zu koordinieren und für die Altlasten des Bergbaus aufzukommen.

Bis Mitte März hatte sich Arcelor Mittal – anders als die übrigen RAG-Aktionäre – geweigert, seine Anteile an der früheren Ruhrkohle zum symbolischen Preis von einem Euro herzugeben. Eine wesentliche Voraussetzung für den Börsengang war damit nicht erfüllt. RWE und Thyssen-Krupp vermuten nun, dass Müller sich die Zustimmung Arcelors mit Zugeständnissen erkauft hat – möglicherweise zulasten anderer Aktionäre. Ein RAG-Sprecher wies dies als absurd zurück.

In Eon-Kreisen hieß es, RAG-Aufsichtsratschef Bernotat könne nicht anders als die Vorwürfe „lückenlos aufklären zu lassen“. Ein RWE-Sprecher betonte, seinem Unternehmen gehe es um eine „aktienrechtlich saubere Klärung des Falles“. Man habe kein Interesse am Erwerb des Steag und unterstütze überdies den Börsengang der RAG.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Hubertus Schmoldt, zugleich stellvertretender RAG-Aufsichtsratschef, sagte, es gebe unterschiedliche Auffassungen zu diesem Vorgang, die im Aufsichtsrat geklärt werden müssten. Er rief – offenbar mit Blick auf Rüttgers – die Politik dazu auf, die Anfang Februar vereinbarten Eckpunkte zur Zukunft der Steinkohle zügig umzusetzen und den Rückhalt bei den Beschäftigten nicht zu gefährden. „Die Geduld der Beschäftigten ist begrenzt“, sagte Schmoldt.

Fest steht schon jetzt: Sollten die Gutachter zu dem Schluss kommen, dass Müller formal gegen die Satzung verstoßen hat, dürfte er als Konzernchef kaum noch zu halten sein. mjh/dc (HB)

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