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Der Ausblick für die Kreditwürdigkeit für Deutschland ist nach Ansicht der Ratingagentur Standard & Poor's negativ.

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Update

Ratingagentur droht mit Herabstufung: Deutschland und Frankreich nehmen negative Ausblickbewertung "zur Kenntnis"

Sechs Länder der Eurozone könnten ihre Topbonität verlieren, darunter auch Deutschland. Die Ratingagentur Standard & Poor's prangert damit den Zick-Zack-Kurs der Länderregierungen an. Merkel und Sarkozy reagierten zunächst gelassen.

Von Robert Birnbaum

Wenige Tage vor einem weiteren EU-Gipfel in dieser Woche sind die Länder der Eurozone am Montagabend von einer Drohung der Ratingagentur Standard & Poor’s überrascht worden. Sie hat Deutschland wegen der Schuldenkrise in der Eurozone mit dem Entzug der besten Bonitätsnote AAA gedroht. Auch fünf weitere Länder des Währungsraumes stehen demnach auf der S&P-Liste mit negativem Ausblick für die Bewertung der Staatsanleihen: Frankreich, die Niederlande, Österreich, Finnland und Luxemburg. Staaten mit guter Bonitätsnote können sich in der Regel zu besseren Konditionen Geld von Investoren leihen als Länder mit einer schlechteren Note. So spart Deutschland etwa im Vergleich zu Italien jedes Jahr einen Milliardenbetrag wegen niedrigerer Zinsen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy reagierten in einer gemeinsamen Erklärung auf die Ankündigung von Standard & Poor's. Man nehme die Ankündigung zur Kenntnis, hieß es. Zudem verwiesen beide darauf, dass man gerade am Montag Vorschläge vorgelegt habe, wie die haushaltspolitische und wirtschaftliche Koordinierung in der Euro-Zone verstärkt werden könne. „Deutschland und Frankreich bekräftigen ihre Überzeugung, dass die heute von beiden Regierungen gemeinsam gemachten Vorschläge die haushalts- und wirtschaftspolitische Koordinierung der Eurozone stärken und so Stabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum fördern werden“, hieß es in der Erklärung, die das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung veröffentlichte.

Die Entscheidung der Ratingagentur ist als Warnschuss zu verstehen. So begründete S&P den Schritt am späten Montagabend damit, dass die Probleme in der Eurozone in den vergangenen Wochen ein Maß erreicht hätten, das die Zone als Ganzes unter Druck setze. Die Ratingagentur nannte auch das ihrer Meinung nach unkoordinierte und unentschlossene Handeln der Politiker als Grund für die negative Ausblickbewertung für die gesamte Eurozone.

Im Falle von Deutschland begründete die Agentur die mögliche Abstufung mit der engen Verflechtung innerhalb Europas und den damit einhergehenden Gefahren für die deutsche Wirtschaft. S&P will nun aber erst einmal die Ergebnisse des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag abwarten, bevor die Kreditwürdigkeit tatsächlich gesenkt wird. Dann aber will die Ratingagentur rasch handeln.

Alles hängt nun von den Ergebnissen des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag ab. Merkel und Sarkozy hatten sich am Montag darauf verständigt, möglichst die gesamte Europäische Union zu strikter Haushaltsdisziplin zu verpflichten. Sie einigten sich auf ein Maßnahmenpaket, das einheitlich gestaltete Schuldenbremsen mit automatischen Sanktionen und einer Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof vorsieht. Der dauerhafte Euro-Rettungsfonds ESM soll von 2013 auf Ende 2012 vorgezogen und reaktionsschneller werden. Die Einführung von Euro-Bonds zum jetzigen Zeitpunkt lehnten beide ab. Sie stellten „auf gar keinen Fall“ eine Lösung für die jetzige Krise dar, sagte Sarkozy.

Der französische Präsident bestand auch nicht auf seiner Forderung, die Europäische Zentralbank (EZB) formell stärker in die Euro-Rettung einzubinden. Er bekannte sich zur Unabhängigkeit der Zentralbank. Merkel stimmte im Gegenzug einer Abschwächung der privaten Gläubigerbeteiligung zu. Sie soll sich an den Regeln des Internationalen Währungsfonds (IWF) orientieren, der an Banken und andere Privatgläubiger verschuldeter Staaten geringere Anforderungen stellt als der vom letzten EU-Gipfel beschlossene 40-Prozent-Anteil an der Umschuldung Griechenlands. Merkel sagte, Anleger in Europa sollte nicht stärker verunsichert werden als anderswo.

Der deutsch-französische Vorschlag soll beim Euro-Gipfel am Donnerstag und Freitag diskutiert werden. Er richtet sich zunächst an alle 27 EU-Mitglieder. Wenn Vertragsänderungen in diesem Kreis nicht durchsetzbar sind, sollen sie zunächst nur für die 17 Staaten der Euro-Zone vereinbart werden. Die Verhandlungen müssten bis kommenden März abgeschlossen werden. „Wir haben keine Zeit“, warnte Sarkozy. Merkel betonte, Deutschland und Frankreich seien „absolut entschlossen“, den Euro zu stabilisieren. „Was sich bisher ereignet hat, darf sich nie wiederholen“, sagte Sarkozy. Er regte an, dass sich die Euro-Staaten bis zum Abflauen der Krise einmal im Monat zu Sondergipfeln treffen sollten. Die polnische EU-Ratspräsidentschaft warnte, eine engere Zusammenarbeit in der Euro-Zone dürfe nicht die übrigen Europäer ausschließen. Auch Nicht-Euro- Staaten müssten an den Euro-Sondertreffen teilnehmen.

S&P erklärte, es gebe das Risiko, dass die Eurozone als Ganzes im kommenden Jahr in die Rezession rutsche. Die Wahrscheinlichkeit liege bei 40 Prozent. Für Staaten wie Spanien, Portugal und Griechenland geht S&P ganz sicher von einem Wirtschaftsabschwung aus.

In Gefahr ist das entscheidende sogenannte Langzeit-Rating. Je schlechter die Bonität eines Schuldners ausfällt, desto eher muss er höhere Zinsen für die Aufnahme neuer Schulden zahlen. S&P erklärte, bereits jetzt müsste eine steigende Zahl von Mitgliedern der Eurozone trotz guter Kreditwürdigkeit tiefer in die Tasche greifen. (mit dpa)

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