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Ratingagenturen: Das rote Tuch

Die Ratingagenturen ziehen Kritik auf sich. Denn ihr Urteil lautet: Spaniens Bonität leidet – weil es spart.

Berlin - Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Spaniens durch die US-Ratingagentur Fitch hat zu scharfer Kritik an der Arbeit dieser Institutionen geführt. Experten aus Wirtschaft und Politik nannten den Schritt unverständlich und forderten als Konsequenz die Gründung einer europäischen Ratingagentur. Die Finanzmärkte reagierten dagegen verhalten.

Fitch hatte am Freitag die Kreditwürdigkeit Spaniens von AAA auf AA+ gesenkt und dies mit dem kürzlich beschlossenen Sparpaket Madrids begründet. Das Unternehmen hatte erklärt, der Abbau der Verschuldung werde mittelfristig das Wachstum drücken. Der Euro, dessen Kurs am Freitag leicht nachgegeben hatte, rutschte nach einem Zwischenhoch am Montag wieder unter die Marke von 1,23 Dollar. An der Madrider Börse standen Bankenwerte unter Druck. Spanien ist die viertgrößte Volkswirtschaft des Euro-Raums.

Auch Frankreich bangt um seine Kreditwürdigkeit. „Das Ziel, das AAA-Rating zu behalten, ist ein schwieriges Ziel“, sagte Haushaltsminister Francois Baroin im französischen Fernsehen. Paris steuert in diesem Jahr auf ein Haushaltsdefizit von acht Prozent zu.

Die Ratingagenturen stehen seit Beginn der Finanzkrise in der Kritik. Damals hatten sie Wertpapiere, die auf faulen Immobilienkrediten basierten, lange als hervorragend eingestuft – bei vielen kam es jedoch zu einem Zahlungsausfall, nachdem der US-Häusermarkt abgestürzt war. Dies hatte viele Banken in eine Schieflage gebracht. In der aktuellen Krise handeln die Agenturen dagegen schnell: Im Falle Griechenlands senkte Standard&Poor’s (S&P) sein Urteil, obwohl ein Sparpaket angekündigt war. Spanien hatte vor der Herabstufung durch Fitch bereits von S&P ein schlechteres Urteil kassiert. Nur Moody’s gibt dem Land noch die Bestnote.

„Auf der einen Seite fordern die Ratingagenturen Sparmaßnahmen – beschließen die Staaten diese aber, werden sie abgewertet. Wie man es macht, macht man es verkehrt“, kritisierte Gustav Horn, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. „Man sollte den Urteilen der Agenturen nicht mehr einen so hohen Stellenwert zumessen, sondern sie als Meinungsäußerung einstufen und abheften.“

Das ist allerdings schwierig – denn die Urteile der Agenturen sind wichtig für die Portfolios von Banken oder Versicherungen. Bekommen Papiere schlechtere Bewertungen, müssen sich die Unternehmen von ihnen trennen. „Die Urteile der Ratingagenturen dürfen keine unmittelbaren Konsequenzen in der Finanzbranche mehr haben“, fordert Horn daher.

Die Agenturen stehen zudem im Verdacht, politische Ziele zu verfolgen. „Man hat den Eindruck, dass sie den Erfüllungsgehilfen für US-Interessen spielen, wonach Europa mehr auf Wachstum und weniger auf Konsolidierung setzen sollte“, argwöhnt Hans-Peter Burghof, Bankenprofessor an der Universität Hohenheim.

Deutschland droht dagegen keine Abwertung. „Unsere Wirtschaftsstruktur ist stabiler, der Arbeitsmarkt steht besser da als der spanische“, sagte Stefan Schilbe, Chefvolkswirt von HSBC Trinkaus&Burkhardt. Trotz des anstehenden Sparkurses und womöglich höherer Steuern sei ein solcher Schritt unwahrscheinlich.

Als Ausweg macht sich die Politik für eine europäische Ratingagentur stark. „Die Regierung hat dies schon 2008 angekündigt, ihre Gründung aber nicht entschieden genug vorangetrieben“, sagte Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Ein solches Unternehmen könne als Privatunternehmen, als Stiftung oder als Genossenschaft organisiert sein. „Mehr Wettbewerb ist wichtig – bislang sind wir von einem Oligopol abhängig“, urteilte er. „Die Koalition ist aber auch in dieser Frage nicht handlungsfähig, die FDP blockiert eine solche Lösung“, kritisierte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß.

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