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Reaktionen auf die EZB-Entscheidung: Banken sind besorgt wegen Erhöhung der Strafzinsen

Politiker, Ökonomen, Banker: EZB-Chef Mario Draghi muss von vielen Seiten Kritik einstecken. Er hat die Strafzinsen erhöht und will wieder Anleihen kaufen.

ko

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Strafzinsen für Banken erneut angehoben und nimmt ihre umstrittenen Anleihenkäufe wieder auf. Der sogenannte Einlagensatz sei auf minus 0,5 Prozent von minus 0,4 Prozent gesenkt worden, teilten die Euro-Wächter am Donnerstag mit.

Das heißt, die Banken müssen künftig noch mehr draufzahlen, wenn sie ihr Geld bei der Notenbank parken wollen. Der Leitzins bleibt unverändert auf dem Rekordtief von null Prozent, eine erste Zinserhöhung verschob der EZB-Rat auf unbestimmte Zeit. Mit dem am Donnerstag beschlossenen gewaltigen Maßnahmenpaket stemmt sich die EZB gegen die Konjunkturschwäche.

Kritiker bezweifeln, dass die Notenbank mit der weiteren Verschärfung ihrer seit Jahren ultralockeren Geldpolitik ihr Ziel erreichen wird, die Wirtschaft im Euroraum anzukurbeln und die seit Jahren vergleichsweise niedrige Inflation nach oben zu treiben.

Bürgerbewegung Finanzwende fürchtet weitere Nachteile für private Sparer

Die EZB hat das Ziel, die Preise in der Eurozone stabil zu halten.
Die EZB hat das Ziel, die Preise in der Eurozone stabil zu halten.

© dpa

Der Vorstand der Initiative „Finanzwende“ kritisierte die Entscheidung in einem Twitter-Thread harsch. Wer für das Alter vorsorgen wolle oder eine Wohnung suche, leide besonders under der aktuellen Nullzinsphase.

Allerdings empfindet Schick die Anti-EZB-Kampagne der deutschen Banken und Sparkassen ebenfalls als scheinheilig. Schließlich hätten die Banken die Finanzkrise ausgelöst, die jetzt die EZB bekämpft. Und sie stellen sich nicht der schwierigen Frage, was passieren würden, wenn die EZB ihren Forderungen nach höheren Zinsen nachgeben würde.“

Banken rechnen mit mehr Schaden als Nutzen

Der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, Hans-Walter Peters sagte: „Die EZB erinnert an einen Autofahrer, der in einer Sackgasse die Geschwindigkeit weiter erhöht.“ Sparkassenpräsident Helmut Schleweis geht ebenfalls mit der Entscheidung der EZB hart ins Gericht. „Die noch expansivere Geldpolitik bringt mehr Schaden als Nutzen. Die negativen Auswirkungen dieser Politik überwiegen mittlerweile, gleichzeitig haben sich die positiven Effekte abgenutzt“, sagte er.

Die Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken Marija Kolak bezweifelt, dass die weiteren Zinsabsenkungen und erneute Anleihekäufe der Wirtschaft noch fühlbare Impulse bringe. „Die EZB betreibt eine Geldpolitik mit der Brechstange, wo Geduld gefragt ist“, sagte sie. Es wäre besser gewesen, die Geldpolitik unverändert zu belassen und die weitere Stimulierung der Wirtschaft durch die günstigen Finanzierungsbedingungen abzuwarten.

Ökonomen halten Entscheidung nicht für notwendig

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Der Wirtschaftsweise Volker Wieland hält die weitere massive Lockerung der Geldpolitik für nicht notwendig. Die EZB setze mit ihrer Entscheidung ihre asymmetrische Politik fort. Jahrelang habe sie die Geldpolitik nicht gestrafft. Obwohl die Wirtschaft zügig gewachsen und die Inflation wieder angestiegen sei. „Nun schwächelt das Wirtschaftswachstum. Da reagiert sie ganz stark“, sagte Wieland.

Die Entscheidung kann Wieland nicht ganz nachvollziehen. Schließlich sei die Kerninflation seit längerem stabil und der Gesamtindex der Verbraucherpreise sei mit den Energiepreisen etwas zurückgegangen.  Eine größere Deflationsgefahr gebe es nicht.

Besser wäre es seiner Meinung nach gewesen, abzuwarten oder zumindest auf neue Anleihekäufe zu verzichten. Denn Staatsanleihekäufe brächten eigene Risiken mit sich. „Insbesondere setzen sie die falschen Anreize in hochverschuldeten Mitgliedsstaaten des Währungsraums“, sagte er.

Die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel sieht das ähnlich. Mario Draghi habe die Geldpolitik noch einmal massiv ausgeweitet und dabei für lange Zeit die Weichen gestellt. „Es ist aber höchst ungewiss, ob diese erneute Lockerung die gewünschte Wirkung erzielen wird. Es ist an der Zeit anzuerkennen, dass die Geldpolitik alleine nicht ausreichend ist“, sagte die Wirtschaftsweise. Neben fiskalischen Maßnahmen und Strukturreformen komme der Stärkung des Bankensektors und weiteren Reformen der Euro-Architektur eine wesentliche Rolle zu.

Versicherungsverband GDV wünscht sich frischen Blick auf geldpolitische Strategie

Mit den heutigen geldpolitischen Entscheidungen nutze die EZB der Meinung des Chefökonomen des Versicherungsverbands GDV, Klaus Wiener, nach erneut Instrumente, die Krisensituationen vorbehalten sein sollten. „Eine Krise liegt aber weder wirtschaftlich noch politisch vor“, sagte er. Schleppende Konjunkturdaten alleine reichten für derart gravierende Maßnahmen nicht aus.

Für die neue EZB-Chefin Christine Lagarde werden die geldpolitischen Weichen damit auf Monate, wenn nicht Jahre gestellt. Dabei wäre ein frischer Blick auf die geldpolitische Strategie unter neuer Führung eine Chance für eine grundlegende Positionsbestimmung gewesen. „Diese Chance wurde heute vertan“, sagte er.

Politiker sehen Entscheidung unterschiedlich

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Der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach kritisierte die Verschärfung der Negativzinsen. „Die expansive Geldpolitik der EZB ist ein Irrweg. Es hat sich gezeigt, dass das billige Geld und die Anleiheaufkäufe keine Konjunkturbelebung erreichen“, kritisierte er. Außerdem würden Verbraucher so zunehmend verunsichert, die gesellschaftliche Spaltung nehme zu. Die Beschlüsse seien lediglich ein weiteres Hilfsprogramm für Spekulanten. „Die Leidtragenden dieser verfehlten Minus-Zinspolitik sind nicht nur Sparer und die private Altersvorsorge. Ihre Folgen werden über kurz oder lang jeden Bürger über höhere Bankgebühren treffen“, sagte er.

Anders sehen das die Grünen. Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, empfindet die expansive Geldpolitik der EZB so als folgerichtig. Stattdessen sieht er die Euroländer in der Pflicht zu handeln. „Nur eine starke gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euroländer würde der EZB eine Alternative zur laxen Geldpolitik eröffnen. Statt selbst zu handeln, schieben die Regierungen Draghi den schwarzen Peter zu“, sagte er.

Lisa Oder

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