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Rechenfehler: DIW und Dresdner Bank kritisieren Arbeit des Statistischen Bundesamtes

Die Statistiker in Wiesbaden geraten immer mehr unter Beschuss: Nicht nur bei der Erfassung der Minijobs haben sie sich um Millionen verrechnet, auch beim Wirtschaftswachstum liegen sie häufig daneben - mit gravierenden Folgen.

Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat sich nicht nur über Jahre bei der Zahl der Minijobs vertan. Auch beim Wirtschaftswachstum in Deutschland liegen die Beamten immer öfter daneben. Die Probleme der amtlichen Statistik sind mittlerweile so gravierend, dass die großen Wirtschaftsforschungsinstitute und Banken nur noch selten zutreffende Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung zustande bringen. "In den letzten zwei bis drei Jahren waren wir durch die doch heftigen Revisionen der Statistik großen Unsicherheiten ausgesetzt", sagte Rolf Schneider, Leiter der Konjunkturabteilung der Dresdner Bank, dem Tagesspiegel. Das Statistische Bundesamt neige dazu, das Wachstum im Aufschwung zu unterschätzen und im Abschwung zu überschätzen. Dresdner-Bank-Volkswirt Schneider berichtet, sein Haus verlasse sich oft nicht auf die Daten aus Wiesbaden. Zumindest die schnell veröffentlichten Wachstumszahlen für das jeweils vorangegangene Vierteljahr seien "zu revisionsanfällig".

Ein Beispiel dafür ist das vierte Quartal des vergangenen Jahres, für das die Statistiker zunächst ein viel zu schwaches Wachstum berechnet hatten. Mehrmals mussten sie die Zahl korrigieren. Dies hatte Auswirkungen auf den Wert für das Gesamtjahr, den die Statistiker zunächst mit 2,5 Prozent angegeben hatten und bis heute schrittweise auf 2,8 Prozent nach oben korrigierten.

Die vielfachen Korrekturen seien Ausdruck eines tiefergehenden Problems, meint Karl Brenke, Konjunkturforscher am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. "Bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts gibt es das große Defizit, dass man nicht recht weiß, welchen Beitrag die Dienstleistungen haben", sagte Brenke dem Tagesspiegel. "Was die Statistik anbelangt, leben wir im vorletzten Jahrhundert." Zwar würden bei den Dienstleistungen im Einzelhandel oder im Gastgewerbe Umsatzzahlen erhoben. "Über wesentliche Bereiche wie Software-Entwicklung oder Unternehmensberatung weiß man aber nichts." Brenke zieht ein verheerendes Resümee: "Wir koppeln uns von der realen Welt ab, weil die statistischen Grundlagen immer zweifelhafter werden." (Tsp)

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