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RECHTS Frage: an Ulrich Schellenberg Rechtsanwalt und Notar

Testamente widerrufen?

Wir betreuen seit 20 Jahren eine ältere alleinstehende, kinderlose Dame. Seit zehn Jahren besteht ein notarielles Testament, das mich, meine Ehefrau und unsere gemeinsamen drei Kinder als Erben einsetzt. Wir haben nun erfahren, dass dieses Testament unter Einfluss einer „guten Nachbarin“ widerrufen wurde. Nachdem wir die ältere Dame in ein Seniorenpflegeheim bringen mussten, haben wir in ihrer Wohnung ein vorgeschriebenes Blatt Papier gefunden, in dem jemand den Text des Widerrufs genau vorgeschrieben hat. Um unseren Erbanspruch zu sichern, ist uns geraten worden, dass die ältere Dame nun regelmäßig ein neues Testament zu unseren Gunsten errichten soll oder auf dem „alten widerrufenen Testament“ in Abständen von drei Monaten erklärt, dass dieses Testament weiterhin gültig sei.

Zunächst ist zu klären, ob der Widerruf des notariellen Testamentes wirksam ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Dame testierfähig ist. Ist sie testierfähig, dann ist das ursprüngliche Testament widerrufen und nicht mehr wirksam. Ein Testament – auch ein notarielles Testament – kann jederzeit abgeändert oder ganz widerrufen werden. Auch wenn Dritte auf die Meinungsbildung Einfluss nehmen, ist ein solcher Widerruf eines Testamentes grundsätzlich möglich. Dies gilt auch dann, wenn Dritte beim Widerruf behilflich sind. Voraussetzung ist aber, dass auch der Widerruf handschriftlich erfolgt.

Wenn die Dame an ihrer ursprünglichen Erbeinsetzung festhalten möchte, empfehle ich Ihnen, erneut zum Notar zu gehen und dort einen Erbvertrag zu errichten. Ein solcher Erbvertrag ist bindend und kann nicht so leicht widerrufen werden wie ein Testament. Voraussetzung ist aber, dass die Dame mit dieser Bindungswirkung auch tatsächlich einverstanden ist. Andernfalls können Sie sich „Ihres Erbrechts“ erst im Falle des Todes der Dame wirklich sicher sein. Es gilt dann immer das letzte Testament, das vor dem Tode errichtet wurde. Der häufige Widerruf von Testamenten ohne Begründung in kurzen Zeitabständen kann aber auch ein Indiz für eine fehlende Testierfähigkeit sein. In diesem Falle wäre dasjenige Testament wirksam, bei dessen Errichtung die Testierfähigkeit noch gegeben war. Foto: Mike Wolff

an Ulrich Schellenberg

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