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Wirtschaft: Reformen kommen – die Jobs nicht

2003 gingen so viele Arbeitsplätze verloren wie zuletzt im Rezessionsjahr 1993 – Besserung noch nicht in Sicht

Berlin (pet/mot). Die Reformen der Bundesregierung haben den Abbau von Arbeitsplätzen nicht stoppen können: Die Zahl der Beschäftigten ging im vergangenen Jahr so stark zurück, wie zuletzt im Rezessionsjahr 1993, teilte des Statistischen Bundesamtes am Dienstag mit.

Während Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) davon ausgeht, dass die konjunkturelle Erholung bereits eingesetzt hat, rechnen Konjunkturexperten auch 2004 noch nicht mit einer Entspannung auf dem Arbeitsmarkt. „Wir erwarten erst 2005 eine leichte Zunahme der Beschäftigung“, sagte Michael Hüther, Chefvolkswirt der Deka-Bank, dem Tagesspiegel.

Nach vorläufiger Berechnung des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden waren im vergangenen Jahr im Jahresdurchschnitt rund 38,3 Millionen Menschen erwerbstätig. Das waren 392 000 weniger als 2002. Erstmals sank auch die Zahl der Beschäftigten im Dienstleistungssektor. Dass die Arbeitslosenquote nicht in gleichem Umfang gestiegen ist, liegt vor allem an den schärferen Kontrollen der Arbeitsämter: Menschen, die nicht nachweisen können, dass sie sich um eine neue Stelle bemüht haben, werden aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen.

Wirtschaftsminister Clement begründete den Rückgang der Beschäftigten mit der „ausgeprägten Konjunkturschwäche der letzten drei Jahre“, wie es in einer Mitteilung des Ministeriums hieß. Er geht aber davon aus, dass der Aufschwung bereits eingesetzt hat. „2004 muss nun zum Jahr des Wachstums werden, damit Arbeitslosigkeit abgebaut und neue Arbeitsplätze entstehen können“, hieß es weiter. Doch Konjunkturexperten bleiben skeptisch.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt, dass die Erwerbstätigenzahl 2004 im Jahresdurchschnitt um 130000 Personen zurückgeht – trotz eines geschätzten Wirtschaftswachstums von 1,4 Prozent und einer auf 4,3 Millionen sinkenden Arbeitslosenzahl. Erst 2005 werde es im Schnitt wieder 230000 mehr Erwerbstätige geben. Besonders stark sinke die Zahl der Beschäftigten in der Industrie, im Bausektor und bei Dienstleisttern. Nur in den Wirtschaftsbereichen Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen nehme die Erwerbstätigkeit seit zwei Quartalen zu.

Gleichzeitig steige als Folge der im April 2003 in Kraft getretenen Arbeitsmarktreformen die Zahl der Minijobs rapide. „Es zeichnet sich ein massiver Substitutionseffekt zwischen geringfügiger und normaler Beschäftigung ab“, erklärt das DIW in seinem Ausblick für 2004/2005. Die Hartz-Gesetze ließen 2004 außerdem die Zahl der Selbstständigen (Ich-AGs) höher ausfallen. Dadurch werde es noch einmal deutlich weniger – etwa 200000 – abhängig Beschäftigte geben.

Auch die Deka-Bank geht nicht davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum 2004 schon in mehr Arbeitsplätzen niederschlägt. „Für Unternehmen in Deutschland ist das Risiko, nachhaltig Beschäftigung zu schaffen, wegen des starken Kündigungsschutzes zu hoch“, sagte Chefvolkswirt Hüther. Im Jahresdurchschnitt rechnet er bei der Zahl der Beschäftigten mit Stagnation, 2005 mit einer leichten Zunahme um 0,3 Prozent. „Die Zahl der Arbeitslosen wird erst 2005 zum ersten Mal wieder zurückgehen“, sagte er voraus.

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