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Wirtschaft: Regierung rechnet ohne Riester

Experten warnen: Wird auch die private Zusatzrente nach hinten verschoben, drohen Mehrausgaben in dreistelliger Millionenhöhe

Berlin - Die Rente mit 67 stellt die Regierung vor bislang ungeahnte Probleme. Rentenexperten warnen vor einer Verteuerung der Riester-Rente, falls die Regierung auch hier die Altersgrenzen anhebt. „An die Riester-Rente hat man im Sozialministerium gar nicht gedacht“, sagte der Freiburger Rentenexperte Bernd Raffelhüschen dem Tagesspiegel. Auch der rentenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Heinrich Kolb, forderte Arbeits- und Sozialminister Franz Müntefering (SPD) auf, die Neuregelung der Riester-Rente bei der Rentenreform nicht aus den Augen zu lassen. „Es besteht die Gefahr, dass die Mehrausgaben für die Riester-Rente die Einsparungen bei der gesetzlichen Rentenversicherung auf null bringen“, mahnte Kolb.

Die große Koalition hatte am Mittwoch beschlossen, das Renteneintrittsalter ab dem Jahr 2012 bis zum Jahr 2029 schrittweise von derzeit 65 auf 67 Jahre anzuheben. Bei der Riester-Rente gilt derzeit eine Altersgrenze von 60 Jahren. Nach Meinung Raffelhüschens dürfte aber auch diese um zwei Jahre nach hinten verlegt werden. Konsequenz: Sollte die Förderung so weiterlaufen wie bisher, müsste der Staat dann zwei Jahre länger Zulagen zahlen und Steuerausfälle durch den Riester-Sonderausgabenabzug hinnehmen. Allein an Zulagen wurden im vergangenen Jahr nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung 33,5 Millionen Euro gezahlt. Diese Summe dürfte in den nächsten Jahren in die Höhe schnellen, weil die Zahl der Riester-Verträge und die Fördersummen zunehmen. Die Grundzulage steigt von derzeit 114 Euro jährlich bis zum Jahr 2008 auf 154 Euro, die Kinderzulage von 138 Euro auf 185 Euro pro Kind. Die Kosten dafür sind nach Angaben Raffelhüschens schwer kalkulierbar, können aber in den kommenden Jahren leicht eine dreistellige Millionensumme erreichen.

Nach Einschätzung der Versicherungsbranche wird die Verlängerung der Lebensarbeitszeit den Zwang zur privaten Vorsorge noch verschärfen. Der Grund: Wer auch in Zukunft mit 65 Jahren in Rente gehen will oder muss, weil er keinen Job hat, muss dann erhebliche Abschläge in Kauf nehmen. Ein Durchschnittsverdiener mit 45 Beitragsjahren hätte rechnerisch Abschläge von 20 000 Euro, hat der Versicherungsverband GDV errechnet.

Wer dagegen bis zum 67. Lebensjahr durchhält, kann dafür nach der Rentenreform mit einer höheren Rente rechnen. „Jedes Jahr, für das länger Beiträge gezahlt wird, erhöht die Rente um etwa 2,5 Prozent“, sagte Rentenexperte Bert Rürup dem Tagesspiegel. Da sich durch die Rente mit 67 das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern verbessere, werde sich zudem der dämpfende Effekt des Nachhaltigkeitsfaktors abschwächen. Dieser kappt Rentenerhöhungen, wenn es weniger Beitragszahler und mehr Rentner gibt. Rürup forderte die Politik jedoch nachdrücklich auf, die Voraussetzungen zu verbessern, dass mehr Arbeitsplätze für Ältere geschaffen werden. „Wenn das nicht der Fall ist, müssen die zukünftigen Rentner Abschläge in Kauf nehmen“, warnte Rürup, „das wären verkappte Rentenkürzungen.“

Wie die Regierung die Probleme der Riester-Rente lösen will, ist jedoch noch unklar. In diesem Jahr wird es dazu wohl noch keine Festlegungen geben, heißt es im Arbeitsministerium. Raffelhüschen sieht dagegen dringenden Reformbedarf. Erstens greife die Riester-Rente bereits heute zu kurz. Der Betrag, den man steuerlich absetzbar sparen könne, müsse früher als geplant von vier auf sechs Prozent der Beitragsbemessungsgrenze steigen. Zweitens sei der Abschlag, den Rentner für jedes vorgezogene Jahr im Ruhestand hinnehmen müssen, mit 3,6 Prozent „viel zu niedrig“ – Raffelhüschen erwartet eine Steigerung auf 4,8 Prozent.

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