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Wirtschaft: Regierung: Verzicht auf den EZB-Posten steht nicht zur Diskussion

Frankreich hält an der Nominierung von Jean-Claude Trichet für die Europäische Zentralbank (EZB) fest. Dies verlautete aus hohen diplomatischen Kreisen in Paris.

Frankreich hält an der Nominierung von Jean-Claude Trichet für die Europäische Zentralbank (EZB) fest. Dies verlautete aus hohen diplomatischen Kreisen in Paris. Das gegen Trichet eingeleitete Ermittlungsverfahren der Justiz ändere nichts am Anspruch auf die EZB-Führung im Jahre 2002, heißt es an der Seine. Die Frage nach einem Alternativ-Kandidaten oder gar nach einem französischen Verzicht stelle sich nicht.

Offenbar geht man in Paris davon aus, dass Trichet von seinem hervorragenden internationalen Ruf geschützt wird - im Zweifel auch vor der französischen Justiz. Vor einer Woche hatte Trichet bekanntgegeben, dass ihm ein Ermittlungsverfahren wegen des Milliardenskandals um den Crédit Lyonnais ins Haus steht. Die damals noch staatseigene Großbank hatte in den achtziger Jahren durch wahnwitzige weltweite Expansionspläne schätzungsweise 100 Milliarden Franc, rund 30 Milliarden Mark, verloren. Trichet war damals Leiter des Pariser Schatzamtes und damit auch für die Beteiligungen des Staates an Unternehmen verantwortlich. Die Pariser Justiz will nun mit fast zehnjähriger Verspätung prüfen, ob sich Trichet der "Verbreitung falscher Informationen an die Märkte und Vorlage ungenauer Bilanzen" schuldig gemacht hat. Eine Anhörung durch Ermittlungsrichter Jean-Pierre Zanoto stehe kurz bevor, heißt es an der Seine.

Anhörung bedeutet allerdings noch nicht Anklage, und Anklage noch nicht Verurteilung. Im rechtlichen Sinne ist Trichet bis zum Beweis des Gegenteils unschuldig. Anders als Ex-Finanzminister Dominique Strauss-Kahn, der im November wegen eines Ermittlungsverfahrens zurücktrat, muss Trichet auch nicht die Leitung der Banque de France abgeben. Denn die französische Notenbank ist unabhängig. Trichet ist allein dem währungspolitischen Rat der Banque de France verantwortlich, der ihm bereits sein volles Vertrauen ausgesprochen hat. Auch seine Verteidigung klingt wasserdicht: Er sei einer der ersten gewesen, der wegen der Misswirtschaft im Crédit Lyonnais Alarm geschlagen habe, beteuert der 57-Jährige. Sollte sich dies als zutreffend erweisen, müsste das Ermittlungsverfahren wohl bald eingestellt werden.

Derzeit sieht es allerdings eher nach einem langwierigen Prozedere aus. Nach Angaben der Wochenzeitung "Nouvel Observateur" hat Ermittlungsrichter Zanoto noch andere ehemalige Verantwortliche des Schatzamtes, womöglich sogar die damals zuständigen Minister, im Visier. Eine Ausweitung der Ermittlungen um den "Crazy Lyonnais" würde aber bedeuten, dass das Verfahren kaum vor dem Jahr 2002 zu einem Ende geführt wird - also jenem Jahr, da Trichet den bisherigen EZB-Chef Wim Duisenberg ablösen will. Trichets Karriereplan wäre damit hinfällig, und Paris müßte bei seinem - ohnehin umstrittenen - Streben nach dem Euro-Chefposten wieder bei Null anfangen.

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