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Wirtschaft: Regionalbörsen: Interview:"Die Berliner Börse verliert dramatisch"

Thomas Posovatz ist Vorstandssprecher der Maklerfirma MWB Wertpapierhandelshaus AG. Herr Posovatz, haben die Regionalbörsen noch eine Zukunft?

Thomas Posovatz ist Vorstandssprecher der Maklerfirma MWB Wertpapierhandelshaus AG.

Herr Posovatz, haben die Regionalbörsen noch eine Zukunft?

Eine Zukunft haben sie bestimmt, aber es ist sehr schwierig einzuschätzen, wie lange diese Zukunft dauern wird. Im Moment mache ich mir Sorgen.

Warum?

Weil die Handelsumsätze auf das Niveau des Jahres 1998 gesunken sind. Und das ist sehr wenig. Aber die Höhe der aktuellen Umsätze gibt noch keine Auskunft über die Zukunft. Bedenklicher ist eine Beobachtung, die wir als Maklerhaus, das an mehreren Börsen tätig ist, machen: Umsatzströme werden an die Frankfurter Börse umgeleitet. Besonders Berlin verliert dramatisch an Umsatz.

Ist das auch eine Folge des Versuchs von Consors, in Berlin eine Online-Börse für Privatanleger zu etablieren?

Ich glaube nicht, dass die Großbanken die Berliner Börse meiden, weil sie Consors den Erfolg nicht gönnen. Ich glaube eher, dass derzeit systematisch versucht wird, Umsätze nach Frankfurt und in das elektronische Handelssystem Xetra zu lenken.

Stehen dahinter die Großbanken, die Anteilseigner der Deutschen Börse AG sind?

Ja, das vermute ich. Beweisen lässt sich das natürlich nicht.

Ist das Berliner Börsen-Modell gescheitert?

Ich habe immer gesagt, dass dieses Modell einer Retailbörse für Kleinanleger unter Federführung von Consors und der Berliner Effektengesellschaft Quatsch ist. Berlin ist längst eine Kleinanlegerbörse.

Sinkende Umsätze und Oderströme, die nach Frankfurt gehen - ein Alarmsignal?

In der Tat, man kann durchaus zu der Auffassung gelangen, dass die Regionalbörsen ein Überlebensproblem haben.

Berlin hat die Maklercourtage gesenkt, die Orderbücher geöffnet und ein Finanzportal ins Internet gestellt. Bringt das dem Anleger nichts?

Offenkundig nicht. Die sinkenden Umsätze sprechen dagegen. Nur wenn ein großer Spieler wie Frankfurt die Courtage senken würde, würde das Druck auf die anderen auslösen. Aber: Im Retailbereich, also bei Orders von 5000 bis 7000 Euro, ist der Anteil der Courtage ohnehin verschwindend gering. Das Meiste kassieren die Banken über Provisionen. Das erweiterte Angebot der Regionalbörsen ist gut gemeint, aber es wird die Entwicklung nicht aufhalten.

Weil die Day-Trader, auf die das Angebot zugeschnitten ist, nicht zurückkehren?

Day-Trading ist in Deutschland kein so großer Markt, wie viele geglaubt haben.

Wie überleben dann die Regionalbörsen?

Sie überleben, wenn sie eine faire Chance im Wettbewerb haben - vielleicht auch nur in einer Nische. Wenn aber die großen Marktteilnehmer Umsätze systematisch abziehen, haben die Anleger keine Wahl und die Regionalörsen keine Überlebenschance.

Herr Posovatz[haben die Regionalbörsen noch]

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