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Urlaub mit dem Bagger: Baulärm kann Reisenden die Ferien gehörig vermiesen. Wenn der Bautrupp Tag und Nacht baggert, ist an Erholung nicht zu denken. Allerdings winken im Gegenzug ordentliche Entschädigungen. Foto: Fotex

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Reisemängel: Wie Sie sich Ihr Geld zurückholen

Die Ferien sind zu Ende. Jetzt wird reklamiert. Gründe gibt es immer: schlechtes Essen, lautes Hotel oder ein Pool, den es noch gar nicht gibt.

Der Dreisprung ist eine olympische Disziplin. Der Athlet rennt los, springt und landet nach drei Hüpfern im Sand. Auch viele Urlauber üben sich im Dreisprung. Allerdings endet der nicht in der Grube, sondern vor Gericht. Der juristische Dreisprung geht nämlich so: Buchen, reisen, reklamieren.

Auch diese Disziplin hat jetzt Saison. In Berlin und Brandenburg beginnt an diesem Montag die Schule wieder, die Sommerferien sind endgültig vorbei. Damit bricht die Zeit für all diejenigen an, die sich im Urlaub über schlechtes Essen, harte Betten oder schmutzige Pools geärgert haben und jetzt versuchen, zumindest einen Teil ihres Geldes vom Reiseveranstalter zurückzubekommen.

SCHNELL SCHREIBEN

Damit das gelingt, müssen sich die Heimkehrer möglichst in den nächsten Tagen an den Schreibtisch setzen und Briefe schreiben. Denn die Beschwerde muss spätestens vier Wochen nach Reiseende beim Veranstalter eingetrudelt sein, sonst kommt die Reklamation zu spät, und der Anspruch erlischt. Egal, wie berechtigt der Ärger war. Probleme bekommen auch all diejenigen, die ihren Frust am Urlaubsort für sich behalten haben und sich erst nach der Heimreise beschweren. Denn nach dem Gesetz müssen die Reisenden Mängel bereits vor Ort anzeigen, damit der Reiseleiter reagieren und dem Urlauber ein neues Zimmer, eine bessere Kabine oder ein anderes Hotel besorgen kann. Spätere Reklamationen haben nur dann Erfolg, wenn die Reiseleitung vor Ort nicht helfen kann oder will oder wenn der Reiseveranstalter gar keinen Vertreter am Urlaubsort hat und die Zentrale auf Mails nicht reagiert.

BEWEISE BEILEGEN

Auch wenn der Ärger groß ist: „Bleiben Sie in Ihrem Schreiben an den Veranstalter sachlich“, rät Eva Klaar, Reiserechtsexpertin der Verbraucherzentrale Berlin. „Sich über erheblichen Baulärm zu beschweren, bringt nichts“, warnt die Verbraucherschützerin, „notieren Sie stattdessen, zu welchen Zeiten und an welchen Tagen gebaut worden ist und wie lange die Bauarbeiten gedauert haben.“ Hilfreich sind Zeugen, die die eigene Geschichte bestätigen können. Auch Fotos oder Videos, in denen der Dreck im Pool, das vergammelte Essen oder die Schimmelflecken im Bad zu sehen sind, erleichtern das Ringen um eine Wiedergutmachung. Formulierungshilfen gibt es beim ADAC, Musterbriefe findet man im Internet unter www.adac.

GÜTLICHE EINIGUNG

Aus Kulanz schicken Reiseveranstalter aber manchmal auch dann einen Wiedergutmachungsscheck, wenn der Kunde zu spät reklamiert. „Wenn die Beschwerden berechtigt sind, kommen die Unternehmen den Kunden oft entgegen“, weiß Reiserechtsexpertin Eva Klaar. Allerdings sind die Summen dann meist niedriger als das, was drin gewesen wäre, wenn der Verbraucher von Anfang an alles richtig gemacht hätte.

Aber immerhin: Etwas ist mehr als nichts. Es sind vor allem die großen Veranstalter, die manchmal auch dann zahlen, wenn sie das rechtlich gesehen gar nicht müssten. Die Branche hat nämlich kein Interesse an schlechten Kommentaren. Denn die verbreiten sich in Windeseile. „Wenn der Urlaub gut war, erzählt man das drei Leuten, wenn es schlecht war, zwölf“, weiß Karl Born von der Hochschule Harz. Über das Internet erreicht man sogar Tausende. Deshalb versuchen die großen Reiseveranstalter, den Unmut ihrer Kunden möglichst schnell einzudämmen. Ein Großteil der Beschwerden wird bereits am Urlaubsort erledigt, Hotels mit schlechten Bewertungen fliegen aus dem Katalog. So befragt Europas größter Reiseveranstalter Tui regelmäßig seine Kunden danach, wie zufrieden sie mit der Reise waren. Und zieht dann Konsequenzen: „In einer ersten Welle“ habe man alle Hotels mit einer Gästezufriedenheit unter 70 Prozent aus dem Programm gestrichen, berichtet Oliver Dörschuk, touristischer Geschäftsführer von Tui Deutschland. Derzeit laufe die zweite Welle. „Wer bis Ende 2012 nicht mindestens auf eine Gästezufriedenheit von 80 Prozent kommt, geht aus dem Tui-Angebot“, kündigt der Manager an. Die betroffenen Häuser sollen vor dem Rausschmiss aber noch eine Gnadenfrist von neun Monaten bekommen. Das Beschwerdemanagement zahlt sich aus: „Die Reklamationsquote bei der Tui lag in den letzten Jahren bei rund zwei Prozent und ist tendenziell eher rückläufig“, sagte Dörschuk dem Tagesspiegel.

WAS DRIN IST

Dennoch erreichen die Veranstalter Schätzungen zufolge noch immer rund eine Million Beschwerden pro Jahr. Einige Fälle landen vor Gericht und dienen so als Richtschnur dafür, welche Minderungen möglich sind. 100 Prozent des Tagesreisepreises gibt es etwa, wenn der Flieger bei einer Pauschalreise einen Tag später startet als gebucht. Andererseits müssen Pauschalreisende vier Wartestunden am Flughafen entschädigungslos hinnehmen, erst danach gibt es für jede weitere Verspätungsstunde fünf Prozent des Tagesreisepreises. 20 Prozent hat das Landgericht Kleve einer Familie zugebilligt, die sich in ein Hotelzimmer von 12 Quadratmetern quetschen musste, 35 Prozent Minderung gab es für Sibirien–Urlauber, die ohne Heizung und Warmwasser auskommen mussten.

So manches Urteil spricht aber auch Bände über die Reisenden selbst. Wie im Fall der Winterurlauber, die vor dem Amtsgericht Offenburg – erfolglos – wegen fehlender Sektgläser in der Hütte geklagt haben. Oder wie die Deutschen, die sich – ebenso vergeblich – gegen Russen im Hotel wehren wollten. Russen, bellende Hunde, fehlende Gläser sind jedoch Kleinigkeiten verglichen mit dem größten Problem – dem eigenen Partner. Jedes vierte Paar zofft sich im Urlaub, hat das Onlineportal Holidaycheck herausgefunden. Und da kann kein Gericht helfen.

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