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Reisetagebuch: Auf den Spuren der Euro-Krise

Unsere Autorin fuhr im Urlaub einmal quer durch die Krise. Wie machen sich Wirtschaftsabschwung und Schuldenturbulenzen im Mittelmeerraum bemerkbar? Ein Reisetagebuch.

Als wir gebucht haben, war die Welt noch in Ordnung. Na ja, fast. In Griechenland flogen schon Steine, aber in Spanien und Italien war es ruhig. Und auch die „Costa Concordia“ zog noch unversehrt ihre Bahnen, als meine Tochter und ich uns für eine Kreuzfahrt durchs westliche Mittelmeer entschieden. Vor einem Jahr haben wir gebucht, jetzt sind wir gefahren. Sieben Tage mit einem italienischen Kreuzfahrtschiff – durch Spanien, Frankreich, Italien und Tunesien. Deutsche Touristen unterwegs in Euro-Krisenland. Was wir dabei erlebt haben? Lesen Sie unser ganz persönliches, total subjektives Reisetagebuch.

DAS SCHIFF

Von Krise keine Spur. Gut 1500 Passagiere passen auf die MSC Sinfonia. Jede Kabine ist ausgebucht. Statt Senioren tummeln sich junge Paare, Familien und Teenager auf dem Boot, die meisten kommen aus Italien und Frankreich. Abends lassen sie es krachen. Mit Cocktails und Wein zum Sieben-Gänge-Menü. Krise? Welche Krise?

MARSEILLE

Eine Sensation: Bei McDonald’s gibt es Bier. Mon Dieu! Ein klares Zeichen der Krise. Wie schlecht ist es um die Grande Nation bestellt, wenn schon mittags Heineken-Dosen auf den Resopaltischen stehen? Dann doch wenigstens Wein, oder? Der einzige Schutz vor Trunkenheit ist der Personalmangel. Nur ein Mann steht in der Küche, fürs Essen braucht er eine Dreiviertelstunde. Dabei ist in Marseille jeder Fünfte arbeitslos. Wir warten, schwitzen und wundern uns. Auf dem Rückweg kommen wir an einer Schlecker-Filiale vorbei. Und werten das als weiteres, klares Krisenzeichen.

GENUA

Eine wunderbare Stadt mit einem hochvornehmen Kreuzfahrtterminal, Marmorpalästen, prunkvollen Kirchen und kleinen Bäckereien, in denen knusprige Grissinis und saftige Focaccia gebacken werden. Aber was ist das? Am Hafen stoßen wir auf einen T-Shirt-Händler, offensichtlich ein Euro-Kritiker. Sein Verkaufsschlager: ein gelbes Hemdchen mit Schweinen. Ein Sparschwein für die Lira, ein Ferkel für den Euro. Pfui. Wir fahren weiter in den Urlaubsort der Reichen und Schönen, nach Portofino. Millionenschwere Jachten, teure Designershops. Während die wohlhabende Kundschaft einkauft, schauen die Tagestouristen neidisch zu. Doch auch das Paradies ist nicht ohne Makel: Es gibt Feuerquallen.

ROM/POMPEJI

Euro-Krise, sengende Sonne, egal. Die Touristen strömen nach Rom – zum Kolosseum, Petersdom und Forum Romanum. Also alles wie immer? Nein. Die Krise macht Italiens Hauptstadt erschwinglich. Den Cappuccino bekommen wir in der Seitenstraße für 1,50 Euro, die Spaghetti für acht Euro – und das in der Nähe des Kolosseums. Neben dem Petersplatz wirbt ein Pizzabäcker mit „Crisis Prices“, Krisenbilligtarifen. Die Euro-Krise hat ihre Gewinner. Uns. Auch in Pompeji quälen sich die Besuchergruppen aus aller Welt durch die Hitze der Ausgrabungsstätte. Mittendrin lockt ein Café mit Klimaanlage. Doch Essen und Trinken sind teuer, der Laden ist leer. Die Leute riskieren lieber einen Sonnenstich, als 3,50 Euro für eine Cola auszugeben. Eine gute Voraussetzung für weitere Sparmaßnahmen in Euro-Land.

TUNIS

In der tunesischen Hauptstadt wird der Euro noch geschätzt, mehr als die Landeswährung Dinar. Die Händler geben sogar in Euro heraus. Leider mischen sie uns einen Bolivar aus Venezuela unter das Wechselgeld. Der sieht aus wie ein Euro, ist aber nur 20 Cent wert. Armes Venezuela. So eine weiche Währung.

MALLORCA

Man könnte jetzt Wohnungen kaufen auf der Lieblingsinsel der Deutschen. In Palma, der Hauptstadt, wird einiges angeboten, vielleicht eine günstige Gelegenheit. Seit Dezember 2007 sind die Immobilienpreise in Spanien um ein Drittel gefallen. Auf dem Ballermann läuft das Leben dagegen wie gewohnt. In den Diskos wird Party gemacht, am Strand wird getrunken. Den Eimer samt Wein, Schnaps, Eis und Strohhalmen kauft man jetzt aber lieber im Supermarkt als im Strandcafé. Das ist billiger. Wer weniger für den Eimer ausgibt, kann mehr trinken. Das hat mit der Euro-Krise nichts zu tun, ist aber trotzdem wahr. Prost!

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