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Wirtschaft: Rentenbeiträge könnten 2004 auf 20 Prozent steigen

BfA-Chef Kleiner: Lage der Rentenkassen ist „Besorgnis erregend“

Berlin. Trotz aller Reformanstrengungen der Bundesregierung befürchten Rentenversicherer und Rürup-Kommission, dass die Sozialbeiträge spätestens zum Jahreswechsel deutlich steigen werden. Bei „sehr pessimistischen Annahmen“ ist nach Einschätzung des Vorstandschefs der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Hartmann Kleiner im Jahr 2004 ein Anstieg von derzeit 19,5 auf 19,8 bis 20 Prozent zu befürchten. Die Annahme der Bundesregierung, der Beitrag lasse sich schon im kommenden Jahr wieder auf 19,4 Prozent senken, sei „unmöglich zu halten“, sagte Kleiner dem Tagesspiegel. Mitglieder der Rürup-Kommission befürchten nach Informationen dieser Zeitung sogar einen Satz von mehr als 20 Prozent.

Auch bei den gesetzlichen Krankenkassen mehren sich die Zweifel, dass sich die Krankenkassenbeiträge mit dem Sparpaket von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) stabil halten lassen. „Die Entlastungen aus Ulla Schmidts Sparpaket sind durch die Mehrkosten der Hartz-Reformen am Arbeitsmarkt aufgeschmolzen“, klagt der Manager eines Krankenkassen-Verbandes. Das gesetzlich verordnete Sparpaket läuft Ende des Jahres aus. Gegen eine weitere Nullrunde bei den Honoraren würden sich die Gewerkschaften zu Wehr setzen. Schon zum Jahreswechsel waren die Beiträge von im Schnitt 14 auf 14,4 Prozent gestiegen.

Die Bundesregierung geht bisher immer noch davon aus, dass die Lohn- und Gehaltssumme in 2003 um 2,5 Prozent wächst – und damit die Einnahmen der Rentenversicherer um 1,8 Prozent zulegen werden. „Diese Annahme halte ich für nicht mehr gerechtfertigt“, sagt der BfA-Vorstandsvorsitzende Kleiner mit Blick auf die konjunkturelle Situation. Sorge bereitet den Rentenversicherern, dass die Monatseinnahmen in diesem Jahr ähnlich stark und unvorhersehbar schwanken könnten wie im vergangenen Jahr. Gegen Ende des Jahres fehlten fest eingeplante Einnahmen, weil viele Arbeitgeber ihren Mitarbeitern kein Weihnachtsgeld gezahlt haben. Zu Lasten der Sozialkassen ging auch die so genannte „Entgeltumwandlung“ im Rahmen der Riester-Rente. Wer privat vorsorgt, kann für seine Alterssicherung einen Teil des Gehalts umwandeln, ohne dass dafür Sozialabgaben fällig werden – beides Einflussfaktoren, die auch in diesem Jahr wirken könnten. Zur Jahresmitte werden außerdem die Renten um voraussichtlich ein Prozent erhöht – mehr als die Rentenversicherer erwartet hatten. „Das wird die Finanzprobleme noch verschärfen“, sagt Kleiner.

Der BfA-Chef befürchtet, dass die Schwankungsreserve „in diesem Herbst nicht mehr ausreichen wird, die Zahlung der Renten zu garantieren“. Wenn die Notreserve im Oktober erheblich unter 50 Prozent absinke, müsse der Bund seine Zuschüsse für November und Dezember vorziehen. Das bedeute zwar nicht, dass der Zuschuss insgesamt steigen werde. Aber wenn Finanzminister Hans Eichel einen Teil der Rentenzahlungen vorfinanzieren müsse, „hat er ein Problem, weil höhere Zinszahlungen auf den Bund zukommen“. Kleiner hält es für durchaus realistisch, dass im Oktober weniger als 30 Prozent einer Monatsausgabe vorhanden seien. „Das ist Besorgnis erregend“, sagte er.

Angesichts der stetig steigenden Beiträge appellierte Kleiner an die Bundesregierung: „Wir müssen Vorkehrungen treffen.“ Mit einer Rentenreform könne nicht bis zum Jahr 2010 gewartet werden.

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