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Wirtschaft: Rentenreform: Ökonomen fordern Zwangsvorsorge

Vor einer wachsenden Altersarmut durch die derzeit diskutierte Rentenreform hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin gewarnt. Wenn das Rentenniveau wie vorgesehen gesenkt werde, müsse es auch eine Pflicht zur privaten Altersvorsorge geben, fordert das Institut in seinem jüngsten Wochenbericht.

Vor einer wachsenden Altersarmut durch die derzeit diskutierte Rentenreform hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin gewarnt. Wenn das Rentenniveau wie vorgesehen gesenkt werde, müsse es auch eine Pflicht zur privaten Altersvorsorge geben, fordert das Institut in seinem jüngsten Wochenbericht. Bislang plant Arbeitsminister Walter Riester (SPD) nur eine freiwillige, staatlich geförderte Vorsorge. Der Grund für die Bedenken des DIW: Es bezweifelt, dass die Menschen von sich aus ausreichend Geld auf die Seite legen würden. Dabei erreichten schon heute viele langjährige Beitragszahler die Standardrente nicht mehr, die bei westdeutschen Männern nach 45 Beitragsjahren bei 2020 Mark liege. Würde das Vorhaben der Koalition Realität, liefen vor allem Frauen und Geringverdiener Gefahr, im Alter zu verarmen, warnt das DIW.

Nach den Plänen der Regierung wird das Standard-Rentenniveau von derzeit 70 Prozent bis 2030 auf etwa 62 Prozent sinken. Damit soll der Rentenbeitrag unter 22 Prozent gehalten werden. Die Einbußen bei der gesetzlichen Rente sollen die Bürger durch eine private, kapitalgedeckte Vorsorge ausgleichen, für die sie von 2008 an vier Prozent ihres Bruttoeinkommens aufwenden sollen.

Aber auch bei einer obligatorischen Vorsorge müsse der Staat Menschen mit niedrigem Einkommen Zuschüsse gewähren, mahnen die Forscher. Denn Geringverdiener hätten gar nicht genug Einkommen, um ein zusätzliches finanzielles Polster für das Alter aufzubauen. Daher würden eher Besserverdienende von der staatlichen Förderung profitieren - die Verteilung würde also ungleicher. Benachteiligt würden obendrein besonders Frauen. Sie müssten auf Grund ihrer längeren Lebenserwartung höhere Beiträge für eine Privatrente zahlen. Unklar sei auch, wie bei Ehefrauen, die nicht berufstätig sind, der Aufbau einer eigenen Vorsorge gewährleistet werden solle. Studien zeigten, dass Ehefrauen schlechter privat abgesichert seien als Ehemänner.

Wird die kapitalgedeckte Vorsorge ein weiteres Standbein der Altersvorsorge, drohen laut DIW den Sparern auch Risiken. Grund: Die Rendite am Kapitalmarkt könne stark schwanken, daher sei die Rendite der Anlageprodukte unsicher. Dies dürfe der Staat vor allem jungen Menschen nicht verschweigen. Die Berliner Experten mahnen die Bundesregierung weiter, verlässliche Rahmenbedingungen für die private Vorsorge einzuführen. Qualitätssiegel sollten gute Finanzprodukte kennzeichnen. Zudem dürfe ein Wechsel der Anlagegesellschaft zu keinem Kapitalverlust führen.

Als ergänzende Reformschritte fordert das DIW, die gesamte Bevölkerung an der Finanzierung der Rentenversicherung zu beteiligen, und nicht nur in erster Linie die Arbeitnehmer. Auch solle es zur Pflicht werden, einen Mindestbeitrag an die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen. Das verhindere, dass Lücken in der Erwerbsbiografie zu einer niedrigen Altersrente führten.

Das DIW warnte auch vor dem Glauben, die Reform werde die Altersvorsorge billiger machen. Zwar werde die Alterssicherung durch die kapitalgedeckte Zusatzvorsorge auf zwei Säulen gestellt und damit das Risiko gestreut. Aber die Belastung der Arbeitnehmer werde "insgesamt nicht unbedingt" gemindert. Das DIW kritisiert zudem, dass die derzeit diskutierten Reformpläne zu sehr auf die Finanzierung der Rente ausgerichtet sind. Die Probleme, die sich für die Rentenbezieher aus dem gesellschaftlichen Wandel ergeben - eine zunehmende Zahl von Scheidungen, Paaren ohne Trauschein oder allein erziehenden Eltern - würden nicht ausreichend berücksichtigt. Die Rentenreform müsse flankiert werden durch eine Zuwanderungspolitik, eine Erhöhung des tatsächlichen Rentenzugangsalters und ein größeres Angebot an Arbeitsplätzen.

brö

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