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In Form. Es gibt viele Gründe, warum immer mehr Rentner weiter in ihrem Beruf arbeiten – oder einen ganz anderen Job annehmen. Foto: ddp

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Rentner: Arbeit ohne Ende

Immer mehr Ältere bessern ihre Rente mit einer Nebentätigkeit auf. Wie man einen passenden Job findet – und was man dabei beachten muss.

Es gibt einen Scherz, der geht folgendermaßen: „Wie sieht der Alltag eines französischen Rentners aus? Er steht um zehn Uhr auf, trinkt ein Glas Rotwein und geht zu seiner Freundin. Und der eines Briten? Der steht um neun auf, trinkt ein Glas Sherry und fährt auf den Golfplatz. Und der eines deutschen Rentners? Er steht um sieben Uhr auf, nimmt seine Herztropfen und fährt zur Arbeit.“

Für viele Rentner in Deutschland ist das allerdings kein Witz, sondern Realität. Und in Zukunft wird es das für noch mehr Menschen sein.

Die Zahl der Erwerbstätigen, die älter als 64 Jahre sind, hat sich hierzulande in den letzten zehn Jahren verdoppelt, heute sind es etwa 600 000 Menschen, Tendenz steigend. Es ist zwar nicht immer leicht, einen Job zu finden, doch möglich ist vieles: Manager bringen als Seniorexperten ihre Erfahrungen in Unternehmen ein, Rentner, die wenig Einkommen haben, verdienen sich etwas dazu, aktive Ältere, die nach einem erfüllten Leben suchen, wollen eine gesellschaftliche Aufgabe erfüllen. Wer weiter arbeiten will, muss allerdings einige Regeln beachten.

Auch für den 75-jährigen Gerhard Ruprecht hat der Ruhestand noch nicht begonnen. Bis 2001 war er als Ingenieur bei der Deutschen Bahn tätig. Heute arbeitet er im Landwirtschaftsmuseum Domäne Dahlem als Aufsicht und Besucherbetreuer, acht Stunden am Tag, zweimal die Woche. Er passt auf, dass in dem historischen Kaufmannsladen, bei dem die Waren noch in einem Regal hinter der Theke lagern, nichts kaputt geht. Auch auf die Möbelstücke hat er ein wachsames Auge. „Es gibt unvernünftige Leute und Kindergruppen, die können hier einiges durcheinander bringen“, sagt er.

Ruprecht arbeitet nicht des Geldes wegen. Die Arbeit im Museum erfüllt für ihn einen anderen wichtigen Zweck: „Man will etwas tun, auch nach dem Berufsende. Wer nicht tätig und aktiv ist, kann sich gleich begraben lassen“, sagt er.

DAZU VERDIENEN

Für immer mehr Rentner dagegen spielt das zusätzlich verdiente Geld durchaus eine entscheidende Rolle. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wird das Rentenniveau vor allem im Osten deutlich weiter sinken. Für einen Großteil derer, die ab Ende der 2020er Jahre in Rente gehen, wird die gesetzliche Rente nahe oder unter der Grundsicherung von 600 Euro liegen, sagt DIW-Referent Karl Brenke. Für viele bedeute das: Sie müssen dazuverdienen, wenn sie ihren Lebensstandard halten wollen.

„Auf der einen Seite fällt das Rentenniveau drastisch. Auf der anderen Seite steigen die Lebenshaltungskosten. Viele Leute fragen sich, wo sie neben der oft kleinen Rente Mittel herbekommen sollen“, sagt auch Karl-Heinz Klocke von der Rentenversicherung Berlin-Brandenburg.

Doch nicht immer ist das Geld ein Motiv, um sich wieder auf den Weg zur Arbeit zu machen. Olaf Möller von der Berliner Arbeitsagentur sieht den Hauptgrund eher in dem Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe und Integration in soziale Strukturen. „Für viele Menschen ist ein gleitender Übergang vom Fulltime-Job in den Ruhestand wichtig“, sagt Möller.

Für einige ist es auch der Spaß an der Tätigkeit, der sie weiter dazu bewegt, wenigstens ein paar Stunden oder Tage in der Woche ihrem alten Job – oder einer ganz neuen Tätigkeit – nachzugehen.

JOBS FINDEN

Oft ist es aber schwierig, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden. In Internet-Jobbörsen finden Senioren kaum Angebote. Vielversprechender sind da Anzeigen in Tageszeitungen. Auch in lokalen Anzeigenblättern kann man Jobs finden, oft werden dort aber einfachere Tätigkeiten ausgeschrieben und etwa „rüstige Rentner“ gesucht, beispielsweise für die Gartenarbeit oder als Haus- und Küchenhilfe in einem Hotel.

Die Arbeitsagentur kann nur bedingt weiterhelfen. „Wir haben keine speziellen Jobbörsen für Rentner“, sagt der Olaf Möller. Die Arbeitsagentur versucht Arbeitgeber und Arbeitssuchende, die für die ausgeschriebenen Jobs qualifiziert sind, zusammenzubringen. Das Angebot richtet sich zwar auch an Rentner. Doch die Chancen auf eine Stelle sind für die Älteren relativ gering. Weiterbildungen oder andere Eingliederungsmaßnahmen werden nach der Rente nicht mehr übernommen.

TÄTIGER LEBENSABEND

Eine Alternative für ältere Jobsucher ist beispielsweise der Verein Tätiger Lebensabend aus Tempelhof. Der Verein sei „kein Arbeitsamt für Senioren“, sagt Vorstandsmitglied Herbert Spindler. Hier können Mitglieder aber für leichte Beschäftigungen an Auftraggeber aus unterschiedlichen Branchen vermittelt werden. Dazu gehören unter anderem Bürotätigkeiten beim Steuerberater, Betreuung der Kunden im Waschsalon oder ein Caféteria-Service. Auch Gerhard Ruprecht hat über den Verein seinen Job gefunden.

Der Lohn ist allerdings gering, nur 6,50 Euro pro Stunde zahlen die Arbeitgeber für die vom Verein vermittelte Arbeitskraft. Davon werden 3,80 Euro direkt ausgezahlt, den Rest erhält der Verein für soziale Aktivitäten wie Ausflüge, Weihnachtsfeiern oder Ähnliches. „Der Lohn ist kein Arbeitsentgelt, sondern ein Beschäftigungsaufwand, den unsere Mitglieder erhalten“, sagt Spindler. Deshalb falle der Verein auch nicht unter das Berliner Mindestlohngesetz. Wer dazu verdienen muss, nimmt das in Kauf.

Trotz der mageren Entlohnung stehen 30 bis 40 Jobsuchende auf der Warteliste. Doch es gibt nicht genügend Auftraggeber für die Arbeitswilligen. Als kürzlich ein Berliner Radiosender über den Verein berichtete, standen an den nächsten Tagen die Telefone nicht still, so viele Interessenten gab es.

DIE REGELN

Ob finanziell notwendig oder aus Freude an der Tätigkeit: Rentenaufstocker müssen einige Dinge berücksichtigen. Wer eine vorgezogene Altersrente oder eine volle Erwerbsminderungsrente bezieht, darf im Jahr an zehn Monaten bis zu 400 Euro und an zwei Monaten bis zu 800 Euro dazuverdienen. Bis zu dieser Grenze wird von der Rente nichts abgezogen.  

Ab dem 65. beziehungsweise demnächst ab dem 67. Lebensjahr, dem künftigen Regeleintrittsalter in die Rente, darf unbegrenzt hinzuverdient werden. Dabei gilt, dass jede Art von Job dem Rentenversicherungsträger gemeldet werden muss. Auch der Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Mitarbeiter dort anzugeben.

Herbert Spindler vom Verein Tätiger Lebensabend kennt die Problematik der geringen Rente. Er ist sich sicher: „Kaum jemand würde zugeben, dass er wegen des Geldes arbeiten muss.“

Torben Dietrich

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