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Nicht auf die lange Bank schieben. Experten raten Senioren, von sich aus zu prüfen, ob sie Steuern nachzahlen müssen oder nicht. Wer aktiv wird, vermeidet Bußgeldverfahren.

© dapd

Rentner und Steuern: Das Ende der Schonzeit

Viele Rentner haben zu wenig oder gar keine Steuern gezahlt. Jetzt bekommen sie Post vom Finanzamt.

Alter schützt vor Steuer nicht. Das bekommen in diesen Tagen viele Rentner zu spüren. Allein in Nordrhein-Westfalen haben die Finanzämter über 100 000 Senioren angeschrieben und sie aufgefordert, für die vergangenen Jahre Steuern nachzuzahlen – plus Zinsen. Dabei kennen die Behörden kein Pardon: Selbst 91-Jährige, die kaum in der Lage sind, die Briefe vom Amt zu lesen, sollen innerhalb von vier Wochen ihre Unterlagen einreichen. Die Betroffenen sind empört, der Bund der Steuerzahler will Klage einreichen.

Auch in Berlin läuft sich die Finanzverwaltung warm. Ab Mitte dieses Monats werden die Finanzämter damit beginnen, „steuerlich bisher nicht erfasste Steuerbürger mit Rentenbezügen anzuschreiben“, kündigt Jens Metzger, Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen, an. Metzger rechnet mit rund 15 000 Menschen, die Post bekommen werden. Wer einen solchen Brief in seinem Briefkasten findet, muss schnell reagieren. Vier Wochen hat man Zeit, um die Einkommensteuererklärung für 2010 einzureichen. Zudem müssen die Betroffenen prüfen, ob sie auch für die Jahre davor Steuern nachzahlen müssen – möglicherweise sogar rückwirkend ab 2005.

Denn damals wurde die Rentenbesteuerung umgestellt. Bis zum Jahr 2005 mussten Senioren nur den Ertragsanteil der Rente versteuern, rund 30 Prozent. Seit 2005 sind mindestens 50 Prozent der Bruttorente steuerpflichtig. Für jeden Jahrgang, der später in Rente geht, steigt der steuerpflichtige Anteil. Wer dieses Jahr Rentner wird, muss schon 64 Prozent versteuern, 2040 werden es 100 Prozent sein.

Viele Rentner haben das ignoriert. Jahrelang sind sie damit gefahrlos durchgekommen, weil die Finanzämter gar nicht wussten, aus welchen Quellen die Senioren Geld bekommen und wie viel. Doch seit seit dem vergangenen Jahr ist das anders. Die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen – eine Abteilung der Rentenversicherung – meldet den Behörden, was die Rentner von der gesetzlichen Rentenversicherung, Versorgungswerken, Pensionskassen, Pensionsfonds oder Lebensversicherungen bekommen. Liegen die Einnahmen über dem Freibetrag, werden die Ämter tätig – schrittweise. Zunächst haben sie sich die Rentner vorgenommen, die ihnen bereits bekannt waren, die in ihrer Steuererklärung aber möglicherweise nicht alles angegeben haben. Jetzt sind die dran, die noch nie eine Erklärung abgegeben haben. Ob die Betroffenen tatsächlich Steuern zahlen müssen oder ob sie mithilfe von Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnlichen Belastungen um die Steuer herumkommen, wissen die Sachbearbeiter im Finanzamt nicht. Die Anschreiben bedeuten daher keinesfalls, „dass die Empfänger pauschal verdächtigt werden, ihrer Steuerpflicht nicht nachzukommen“, betont Metzger.

Doch um das zu klären, sind die meisten Rentner auf Hilfe angewiesen. Viele sind nicht mehr in der Lage, ihre aktuelle Erklärung zu machen, geschweige denn die vergangenen Jahre aufzuarbeiten. Belege, mit denen man steuermindernde Ausgaben nachweisen könnte, liegen längst im Müll. „Das wird teuer“, warnt Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuergewerkschaft. Denn ohne die Unterstützung eines Steuerberaters oder eines Lohnsteuerhilfevereins komme kaum jemand aus. Doch die Hilfe kostet – selbst wenn am Ende herauskommt, dass der Rentner gar nicht steuerpflichtig war. „Wenn das Finanzamt den Steuerzahler auffordert, eine Steuererklärung einzureichen, muss er das tun“, weiß Eigenthaler. „Da gibt es keinen Spielraum.“

Wer fürchtet, Steuern zahlen zu müssen, sollte selbst aktiv werden, rät Uwe Rauhöft vom Neuen Verband der Lohnsteuerhilfevereine. Rentner mit Zusatzeinkünften aus Betriebsrenten etwa oder Alleinstehende, deren Ehepartner gestorben sind und die zur eigenen Rente noch eine Hinterbliebenenrente bekommen. Wer von sich aus tätig wird, vermeidet nicht nur mögliche Bußgeldverfahren, sondern hält auch die Verzugszinsen gering. „Denn für jeden Monat, in dem man seine Steuern zu spät zahlt, muss man 0,5 Prozent Zinsen zahlen“, warnt Rauhöft.

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