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Wirtschaft: Revolution vor der Brennkammer

Ingenieure von Bosch und Siemens VDO erhalten den Deutschen Zukunftspreis

Berlin - Als Bundespräsident Horst Köhler Freitagmittag das Kuvert mit den Namen der Preisträger auf die Bühne trug, wusste er selbst noch nicht, wem er seinen Preis verleihen sollte. Die Jury hatte erst kurz zuvor entschieden, wer den mit 250000 Euro dotierten „Deutschen Zukunftspreis – Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation“ erhalten soll. Die Wahl fiel auf Friedrich Boecking, Klaus Egger und Hans Meixner von Bosch sowie Siemens VDO. Denn das erste Mal in der achtjährigen Geschichte des Preises wurden Forscher aus zwei konkurrierenden Unternehmen gemeinsam nominiert und ausgezeichnet.

Die Ingenieure entwickelten eine Einspritzdüse, die Motoren leistungsfähiger und sparsamer macht, und sorgten damit für eine kleine Revolution in der Automobiltechnik. Piezo-Injektor heißt die Erfindung. Bei Tintenstrahldruckern und Wasserzerstäubern wird diese Technik schon lange eingesetzt. Vor fünf Jahren gelang es den Preisträgern, das Verfahren auch für Motoren zur Marktreife zu bringen.

Um einen Dieselmotor am Laufen zu halten, muss Kraftstoff zum richtigen Zeitpunkt in die Brennkammer gespritzt werden, damit er sich entzünden und somit den Kolben antreiben kann. Die Verbrennung wird effizienter und schadstoffärmer, wenn der Kraftstoff mit hohem Druck und vor allem zum günstigsten Zeitpunkt und in der richtigen Menge eingespritzt wird. Die Einspritzdüse ist also entscheidend für die Qualität der Motoren. Bislang wurden solche Düsen meist elektromagnetisch gesteuert. Mit der neuen Piezo-Technik können sie fünf Mal schneller bewegt werden. Das Öffnen und Schließen der Einspritzdüsen dauert jetzt nur noch etwa eine Zehnmillionstelsekunde.

Für diese schnelle Bewegung, ein Wimpernschlag dauert eine Million mal länger, nutzten die Preisträger den piezoelektrischen Effekt. Sobald an bestimmte Werkstoffe, wie etwa spezielle Keramiken, eine Spannnung angelegt wird, verformen sich diese blitzschnell. Die Forscher fügten mehrere Schichten dieser Piezo-Keramik zusammen und entwickelten damit ein Steuersystem, das nicht nur rasend schnell, sondern auch stark genug ist, um die Ventile zu bewegen.

Durch die kurzen Steuerungszeiten kann die Kraftstoffmenge noch besser auf den Bedarf des Motors abgestimmt werden und vor allem im richtigen Moment in die Brennkammer gelangen. Dadurch verbrennt der Kraftstoff besser, der Verbrauch ist um etwa drei Prozent geringer und der Ausstoß an Stickoxiden geht um bis zu 20 Prozent zurück.

Vor fünf Jahren begann bei Siemens VDO die Produktion der Hochleistungsdüsen. Heute sind die Piezo-Injektoren in vielen Diesel-Pkw schon Standard. Im Jahr 2004 produzierten die beiden Konkurrenten gemeinsam mehr als drei Millionen Einheiten, im nächsten Jahr sollen es über 16 Millionen sein.

Der Zukunftspreis, den die Moderatorin Maybrit Illner während der Verleihung auch als „Oscar der Wissenschaft“ bezeichnete, soll nicht nur Erfindergeist belohnen. Die Entwicklungen sollen anwendungsfähig und marktreif sein und damit Arbeitsplätze schaffen. Mit der Fertigung der Piezo-Injektoren sind weltweit 9400 Menschen beschäftigt, etwa 6000 davon in Deutschland. In Zulieferbetrieben werden weitere 8000 Arbeitsplätze gesichert.

Friedrich Böcking, Sprecher der Forschergruppe, reagierte zwar nicht tränenüberströmt wie manch anderer Oscargewinner, die Freude war dem Ingenieur trotzdem anzusehen. Und stolz verkündete er: „Im nächsten Jahr wird es die Piezo-Technologie auch für Benzinmotoren geben.“

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